KARLSRUHE (dpa-AFX) - Das Bundesverfassungsgericht urteilt am Dienstag (10.00 Uhr), ob eine Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro gegen die Verfassung verstößt. Um diesen jährlichen Betrag hatte der Bundestag 2018 mit Stimmen von Union und SPD die absolute Obergrenze für den staatlichen Anteil auf damals 190 Millionen Euro aufgestockt. Grüne, FDP, Linke und AfD - seinerzeit allesamt Oppositionsfraktionen - klagten in Karlsruhe.

Das Problem: Mit Stimmen von Union und SPD hatte der Bundestag seinerzeit das satte Plus beschlossen. Die Parteien begründeten das unter anderem mit Hackern, Fake News und Datenschutz im Netz - um diese Herausforderungen bewältigen zu können, sei mehr Geld nötig.

216 Abgeordnete von Grünen, Linkspartei und FDP stellten einen sogenannten Normenkontrollantrag, um die Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung überprüfen zu lassen. Auch wenn sie selbst genauso von der Erhöhung profitieren, halten sie das Plus für unverhältnismäßig und fürchten den Eindruck einer Selbstbedienung. (Az. 2 BvF 2/18)

Die AfD strengte parallel eine Organklage gegen den Bundestag an. Sie kritisiert, die große Koalition habe das Gesetz in so kurzer Zeit beschlossen, dass keine Zeit geblieben sei, oppositionelle Strömungen in der Bevölkerung zu mobilisieren. Das Urteil hierzu will der Zweite Senat des Gerichts um 14.00 Uhr verkünden. (Az. 2 BvE 5/18)

Die Regeln: Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1992 wurde die staatliche Teilfinanzierung im Parteiengesetz neu gefasst. Anspruch darauf haben grundsätzlich Parteien, die nach dem Ergebnis der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen 1 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen für ihre Listen erreicht haben. Das gilt als Maßstab für die Verwurzelung in der Gesellschaft.

Für die Stimmen bekommen Parteien Geld, den "Wählerstimmenanteil". Für 2022 waren das je 1,08 Euro für die ersten vier Millionen Stimmen und 89 Cent für jede weitere Wählerstimme. Zahlen für das laufende Jahr liegen noch nicht vor. Die staatlichen Mittel für die politischen Parteien werden immer wieder auch an die Teuerungsrate angepasst, steigen damit also regelmäßig.

Andere Einnahmequellen für Parteien sind etwa Mitgliederbeiträge und Spenden. Auch sie werden bezuschusst. Das ist der "Zuwendungsanteil".

Die Grenzen: In Karlsruhe geht es um die absolute Obergrenze für die staatliche Teilfinanzierung. Sie legt die Summe fest, die an alle anspruchsberechtigten Parteien ausgezahlt wird. Im vergangenen Jahr waren das nach einer Anpassung um 2,5 Prozent 205 050 704 Euro.

Da aus dem Grundgesetz ein Verbot überwiegend staatlicher Parteienfinanzierung abgeleitet wird, darf der staatliche Anteil aber nicht jenen überschreiten, den Parteien selbst erwirtschaften - etwa über Mitgliederbeiträge und Spenden. Das ist die relative Obergrenze.

Die Summen: Das Geld kommt nicht nur den im Bundestag und in Landtagen vertretenen Parteien zugute, sondern auch kleineren. Eine detaillierte Übersicht hat der Bundestag bislang nur für das Jahr 2021 veröffentlicht. 20 Parteien hatten demnach Anspruch auf staatliche Finanzierung. Das Spektrum reicht von rund 13 600 Euro für Team Todenhöfer bis gut 56 110 000 Euro für die SPD.

Die Aussichten: Die absolute Obergrenze kann geändert werden. In seinem Urteil von 1992 hat das Verfassungsgericht jedoch festgelegt, dass der Umfang ausreichen muss, "solange die bestehenden Verhältnisse keine einschneidende Veränderung erfahren". Welche Einschnitte nun die Digitalisierung hinterlässt, darüber hatten die Parteien bei der mündlichen Verhandlung im Oktober 2021 diskutiert.

Die Verhältnisse hätten sich im Vergleich zu den 1990er Jahren geändert, argumentierte etwa die CDU. Politische Kommunikation finde heute anders statt - etwa in digitaler Form. Auch Teilhabe in den Parteien sei digital geworden. Die Kritiker hingegen zielten vor allem auf den Eindruck ab, die Politikerinnen und Politiker hätten sich beziehungsweise ihren Parteien Geld zugeschustert. Dieser müsse unbedingt vermieden werden, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik zu stärken, hieß es etwa von Grünen und FDP.

Wohin der Zweite Senat des höchsten deutschen Gerichts tendiert, ließen die Richterinnen und Richter seinerzeit nicht erkennen. Nur so viel kündigte Richter Peter Müller da schon mal an: Es müssten einige Vorgaben aus dem Urteil von 1992 präzisiert werden./kre/sem/DP/zb