Moskau/Kopenhagen (Reuters) - Russland sorgt mit seinem Vorschlag zur Verschiebung der Grenzen in der Ostsee für Irritationen bei seinen Nachbarn.

Wie aus einem Gesetzentwurf des russischen Verteidigungsministeriums hervorging, soll es sich um die Seegrenzen um russische Inseln im Osten des Finnischen Meerbusens sowie das Gebiet um die russische Exklave Kaliningrad handeln. Das Ministerium berief sich auf kartographische Ungenauigkeiten bei einer Messung 1985 noch zu Zeiten der Sowjetunion. Diese seien nicht in Einklang mit den aktuellen kartographischen Koordinaten. Am Mittwoch wurde der Entwurf von dem Dokumentationsportal genommen. "Der Entwurf wurde gelöscht", hieß es.

Zuvor hatte das russische Präsidialamt erklärte, die Pläne des Verteidigungsministeriums hätten keinen politischen Hintergrund, auch wenn sich die politische Lage seit 1985 signifikant verändert habe. Die Spannungen im Ostseeraum hätten zugenommen, sagte Sprecher Dmitri Peskow. Für Detailfragen verwies er auf das Verteidigungsministerium, das auf eine Anfrage zunächst nicht reagierte.

Aus dem vom 21. Mai datierten Entwurf ging nicht hervor, wie genau die Grenzen verschoben werden sollen oder ob es bereits Gespräche mit Ostseeanrainern geben hat. Mit Finnland sei kein Kontakt aufgenommen worden, sagte Präsident Alexander Stubb. "Finnland wird handeln wie immer: ruhig und auf Fakten basiert." Außenministerin Elina Valtonen rief Russland auf, sich an die Konventionen der Vereinten Nationen und an Internationales Seerecht zu halten. Finnland ist infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine der Nato beigetreten. Das Land hat eine rund 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland.

Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur TT, dass Russland nicht einseitig neue Grenzverläufe bestimmen könne. Schweden war wie Finnland erst kürzlich der Nato beigetreten. Bei dem Vorschlag handele es sich offensichtlich um eine Provokation der Nato und der Europäischen Union, sagte der Außenminister des EU-Landes Litauen, Gabrielius Landsbergis. "Auf den ersten Blick erscheint es absurd", erklärte der estnische Außenminister Margus Tsahkna. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um einen Versuch handele, Verwirrung zu stiften.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin sprach davon, dass die Berichte auf "Provokation und Verunsicherung" hindeuteten, die die russische Politik als Mittel einsetze. Es gebe noch viele Unklarheiten. "Aber grundsätzlich gilt: Derartige Abgrenzungen können nicht unilateral vorgenommen werden, sondern würden zunächst eine Einigung der betroffenen Nachbarstaaten erfordern."

(Bericht von Guy Faulconbridge und Stine Jacobsen; Mitarbeit: Rachel More, Andreas Rinke in Berlin; geschrieben von Kerstin Dörr; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)