Von Hans Bentzien und Andreas Plecko

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Zeiten der ganz hohen Inflationsraten sind weltweit vorbei, aber trotzdem lockern die wichtigsten Zentralbanken ihre Geldpolitik nicht im Gleichschritt. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) mit einem Zinsschritt nach unten in Vorlage gegangen ist, dürfte die US-Notenbank ihre Zinsen am Mittwoch unverändert lassen, und die Bank of Japan könnte ihre Politik sogar etwas straffen.

Damit zollt die eine dem seit 2022 eingetretenen Inflationsrückgang (und ihrer eigenen Kommunikation) Tribut, die andere einer Inflation von über 3 Prozent und einer sehr niedrigen Arbeitslosigkeit und die dritte der Aussicht auf ein Erreichen des Inflationsziels von 2 Prozent "von unten". Daneben stehen in der Woche die US-Inflationsdaten sowie diverse Reden von EZB-Offiziellen auf dem Programm. Um mit den USA zu beginnen:


   US-Notenbank bestätigt Zinsniveau - Neue Projektionen 

Börsianer und Ökonomen erwarten, dass die US-Notenbank ihren Leitzins bei der anstehenden Sitzung beibehalten wird, da die Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung weitgehend zum Stillstand gekommen sind. Der Leitzins liegt aktuell bei 5,25 bis 5,50 Prozent. Die Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) haben zwar signalisiert, dass eine Schwäche des Arbeitsmarktes sie dazu veranlassen könnte, die Leitzinsen zu senken, aber bislang ist der Arbeitsmarkt robust geblieben. Derzeit werden eine oder zwei Zinssenkungen in diesem Jahr als die wahrscheinlichsten Szenarien angesehen.

Die Fed wird die Entscheidungen des Offenmarktausschuss FOMC am Mittwoch (20.00 Uhr) veröffentlichen. Zeitgleich kommen neue Projektionen zu Wachstum und Inflation, sowie Prognosen für den Zinspfad. Darüber hinaus wird Fed-Chef Jerome Powell während seiner Pressekonferenz (Beginn 20.30 Uhr) Fragen zur Ausrichtung der Geldpolitik beantworten.

Sollte sich die Einschätzung des FOMC bezüglich des Arbeitsmarkts ändern, könnte dies zu Zinssenkungen führen, auch wenn sich kein rascher Rückgang der Inflation auf den Zielwert von 2 Prozent abzeichnen sollte. In jüngster Zeit hat sich der Arbeitsmarkt abgekühlt, aber das FOMC ist überwiegend der Ansicht, dass dies eher ein Zeichen dafür ist, dass Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt nun ausgeglichener sind. Einen Grund zur Sorge sehen sie bisher nicht.


   US-Inflation bleibt im Mai bei 3,4 Prozent 

Passend zu den unveränderten Leitzinsen dürfte auch die Inflation im Mai unverändert geblieben sein. Ökonomen rechnen damit, dass die Verbraucherpreise wie im April mit einer Jahresrate von 3,4 Prozent gestiegen sind und die Kernverbraucherpreise ebenso unverändert um 3,6 Prozent. Das Arbeitsministerium veröffentlicht die Daten am Mittwoch (14.30 Uhr). Am Donnerstag und Freitag kommen jeweils um 14.30 Uhr die Erzeuger- und die Importpreise.


   Bank of Japan erwägt Tapering 

Die Bank of Japan (BoJ) dürfte bei ihrer anstehenden Ratssitzung über ein Zurückfahren der Staatsanleihekäufe debattieren, im Fachjargon Tapering genannt. Derzeit kauft die BoJ monatlich für rund 6 Billionen Yen (rund 38,7 Milliarden US-Dollar) japanische Staatsanleihen. Bis zur Beendigung ihrer Steuerung der Renditekurve im März hatte die BoJ in großem Umfang Staatsanleihen gekauft, um die Rendite der zehnjährigen Anleihen bei Null zu halten. Nach dem Ausstieg aus dieser Politik hatte BoJ-Gouverneur Kazuo Ueda wiederholt gesagt, dass die BoJ ihre umfangreichen Anleihekäufe schließlich zurückfahren wird. Er hatte sich jedoch mit Hinweisen darauf zurückgehalten, wann damit begonnen werden soll.

Nach Ansicht von Marcel Thieliant, Leiter des Asien-Pazifik-Bereichs bei Capital Economics, wird die BoJ wahrscheinlich im Juli die Zinsen erhöhen, was vermutlich auch ihre vorerst letzte Zinserhöhung sein dürfte. Zudem könnte die BoJ eine Reduzierung der Staatsanleihekäufe bekannt geben, obwohl Thieliant mit einer solchen Ankündigung erst für Juli rechnet. Die BoJ gibt ihre geldpolitischen Entscheidungen am frühen Freitagmorgen bekannt.


   EZB-Offizielle kommentieren den Zinskurs 

Der Zinskurs der EZB ist nach der Zinssenkung um 25 Basispunkte offenbar unklar. Die EZB stellte keine weiteren Zinsschritte in Aussicht, was angesichts angehobener Inflations- und Wachstumsprognosen verständlich ist. Nach der Sitzung hielten sich EZB-Offizielle mit Kommentaren zurück, was eher ungewöhnlich ist und für ihre Unsicherheit spricht.

In der Woche stehen aber einige Reden auf dem Kalender: Am Montag (13.00 Uhr) spricht Robert Holzmann, der sich als einziges Ratsmitglied gegen eine Zinssenkung ausgesprochen hatte, am Dienstag (11.00 Uhr) EZB-Chefvolkswirt Philip Lane und später (13.00 Uhr) Francois Villeroy de Galhau sowie am Mittwoch (15.00 Uhr) EZB-Vizepräsident Luis de Guindos und am Freitag (19:30 Uhr) EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/sha

(END) Dow Jones Newswires

June 10, 2024 01:00 ET (05:00 GMT)