Von Ed Ballard, Jason Douglas und Jon Emont

LONDON/SINGAPUR (Dow Jones)--Im Verdrängungswettbewerb um die Industrien der Zukunft bieten die größten Volkswirtschaften der Welt enorme Subventionen auf. Verlierer sind all jene Staaten, die da nicht mithalten können.

In den USA sorgen der Anreiz von Steuergutschriften auf spätere Gewinne dafür, dass in großem Umfang frisches Kapital in das Land fließt, um Investitionen in die Produktion von Batterien, Solaranlagen und andere grüne Technologien zu finanzieren. Die EU hält mit einem eigenen Förderpaket für grüne Energien dagegen. Japan hat Pläne für eine Kreditaufnahme in Höhe von 150 Milliarden US-Dollar angekündigt, um seinerseits eine Welle von Investitionen in grüne Technologien zu finanzieren. Alle bemühen sich, ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Die Volksrepublik hat bei Batterien und den für ihre Produktion nötigen Mineralien einen großen Vorsprung.

Einige kleinere Akteure geraten dabei jetzt ins Hintertreffen. Es sind dies agile Volkswirtschaften, die über Jahrzehnte in der Zeit des Freihandels auf dem Vormarsch waren, in der sich abzeichnenden neuen Ära aggressiver Industriepolitik jedoch das Nachsehen haben. Großbritannien und Singapur sind nicht groß genug, um im Rennen um Subventionen mit den größten Wirtschaftsblöcken konkurrieren zu können. Auch Schwellenländer wie Indonesien sind bedroht, die gehofft hatten, mit Rohstoffen den wirtschaftlichen Aufstieg schaffen zu können.


 Ein Subventionswettlauf hat begonnen 

Intel wird für den Bau von zwei Halbleiterfabriken im Raum Magdeburg von der Bundesregierung mit 11 Milliarden Dollar unterstützt. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von der größten ausländischen Direktinvestition in der deutschen Geschichte. Die Förderzusage übertrifft deutlich das Jahresbudget des Ministeriums für Handel und Industrie im Stadtstaat Singapur. "Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Wir können es uns nicht leisten, die Großen zu überbieten", klagte kürzlich der stellvertretende Premierminister Lawrence Wong vor politischen Anhängern bei einer Parteiveranstaltung.

In Großbritannien sehen viele dort geförderte Technologieunternehmen ihre Wachstumschancen inzwischen andernorts. Das britische Batterie-Startup Nexeon etwa, das seine Technologie mit staatlicher Hilfe nahe Oxford entwickelte, hat im vergangenen Jahr mehr als 200 Millionen Dollar eingesammelt. Die erste kommerzielle Fabrik wird nun wohl in Südkorea gebaut, wahrscheinlich folgt ein Werk in Nordamerika. "Aber leider nicht im Vereinigten Königreich", sagte Nexeon-CEO Scott Brown. Ohne vermehrte staatliche Hilfe für die Batterieindustrie dürfte sich daran nichts ändern, glaubt man bei Nexeon.

Amte Power, einer der wenigen einheimischen Batteriehersteller in Großbritannien, hat erklärt, dass er wegen des Subventionsgefälles zu den USA und zu Europa möglicherweise seine Pläne zur Ansiedlung einer geplanten Fabrik im Wert von mehr als 200 Millionen Dollar in Schottland noch einmal überdenken wird. Und das E-Auto-Startup Arrival ließ schon 2022 verlauten, die Produktion werde aus steuerlichen Gründen in den USA konzentriert und nicht in Großbritannien.

Der Inflation Reduction Act (IRA) von Präsident Biden in den USA zieht mit Investitionsanreizen im Volumen von 369 Milliarden Dollar für saubere Energie derzeit geradezu eine Welle von Auslandsinvestitionen an. BMW etwa hat gerade den Grundstein für ein neues Batteriewerk in South Carolina gelegt. Die südkoreanischen Firmen Hyundai und LG haben zusammen eine 4,3 Milliarden Dollar teure Batteriefabrik in Georgia angekündigt. Panasonic aus Japan baut ein neues Werk in Kansas.


 Die Umkehrung der Globalisierung 

Der Subventionswettlauf ist eine echte wirtschaftliche Wende - weg von jener Globalisierung, die über Jahrzehnte half, Handels- und Investitionsbarrieren zwischen Ländern abzubauen. Einst arme Länder wie Südkorea und Taiwan hat die Globalisierung in hochtechnologisch entwickelte Volkswirtschaften verwandelt und hunderten Millionen Menschen relativen Wohlstand gebracht. Auch westlichen Verbraucher eröffnete eine Fülle erschwinglicher Konsumgüter einen höheren Lebensstandard. Technologischer Fortschritt und neue Managementideen konnten sich ebenso frei zwischen Ländern bewegen wie Waren und finanzielle Ressourcen.

Das Globalisierungsmodell kam mit teuren Nebenwirkungen. Einst blühende Regionen in den USA und Westeuropa verödeten, als Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe nach Asien oder in die ehemaligen Sowjetstaaten abwanderten. Umweltprobleme nahmen zu, weil die Weltwirtschaft zunehmend natürliche Ressourcen verbrauchte. Einige Volkswirtschaften erlebten destabilisierende Phasen durch Kapitalflucht.

Die sich nun abzeichnende Auflösung der weltweiten wirtschaftlichen Arbeitsteilung - sei es aus Gründen der nationalen Sicherheit, aus geopolitischen Rivalitäten oder aus Gründen der Angst vor den zuletzt in der Pandemie gerissenen Lieferketten - ziehe eigenen Probleme nach sich, warnen jedoch Ökonomen. Besonders gefährdet sind für sie kleinere, sich entwickelnde Volkswirtschaften, die auf den Zugang zu globalen Märkten angewiesen sind, um durch Handel mehr Wohlstand zu erlangen.


 Ein Wettlauf um Subventionen ist bereits entbrannt 

"Die Welt als Ganzes verschließt sich und wendet sich von offenem Handel und Investitionen in andere Ländern ab", meint David Loevinger, vormals Mitarbeiter im US-Finanzministerium, heute für den Bereich Schwellenländer beim Vermögensverwalter TCW Group tätig. "Während Europa, die USA und China einen Subventionswettbewerb austragen, gehen daraus ärmere Volkswirtschaften mit weniger Steuerressourcen als Verlierer hervor."

Die Ausrichtung des Westens auf Industriepolitik könnte für jene Länder besonders schmerzhaft werden, die darauf gehofft hatten, grüne Technologien nutzen zu können, um die eigene wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln. Indonesien etwa hat Ambitionen, mit seinen reichhaltigen Nickelvorkommen ein führender Rohstofflieferant für die wachsende Batterieindustrie zu werden. Aber nach den Regeln des IRA gibt es keine Steuersubventionen für E-Auto-Batterien, die einen hohen Anteil von Mineralien aus einem Land enthalten, das kein US-Freihandelspartner ist. Damit ist Indonesien draußen.

"Wir verfügen über alle natürlichen Ressourcen. Wir haben das Humankapital. Und wir sind ein Land, das eine Demokratie ist", sagte Arsjad Rasjid, der Chef der indonesischen Industrie- und Handelskammer. "Bitte schließen Sie uns nicht aus."


 Die aktuellen Gewinner 

Als führendes Land im weltweiten Subventionswettbewerb erleben die USA derzeit einen Investitionsboom. Daten der Vereinten Nationen zufolge wurden in den USA im vergangenen Jahr etwa 22 Prozent aller weltweiten ausländischen Direktinvestitionen getätigt. Das ist etwas weniger als die 26 Prozent im Jahr 2021, als sich die weltweiten Investitionen nach einer Flaute während der Pandemie wieder erholten, aber deutlich höher als die 13 Prozent im Jahr 2019. Die US-Bauausgaben im Zusammenhang mit dem verarbeitenden Gewerbe schnellten im Mai um 76 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf eine saisonbereinigte Jahresrate von 194 Milliarden Dollar empor, wie Daten des Census Bureau zeigen.

Der Fall Nexeon in Großbritannien zeigt, wie die Steuermilliarden aus den Vereinigten Staaten die Wettbewerbsbedingungen verzerren. So bekam Nexeon zusätzlich zum eingeworbenen Privatkapital 2 Millionen Pfund aus einem Fördertopf der britischen Regierung für Elektrofahrzeuge. Nur Wochen später konnten sich zwei US-Konkurrenten, Sila Nanotechnologies und Group14 Technologies, über satte 100 Millionen Dollar vom US-Energieministerium freuen. Das Geld floss im Rahmen Finanzierungsprogramms für die Batterieindustrie von 2021. Wie Nexeon stellen beide Firmen Materialien auf Siliziumbasis her, die in Batterieanoden zur Leistungssteigerung eingesetzt werden.

"Die Wirtschaftlichkeit von Projekten in den USA ist gerade außer Reichweite", stellt Guy Debelle fest. Der einstige stellvertretende Gouverneur der australischen Zentralbank ist jetzt Chef der Sparte für grünen Energieprojekte des westaustralischen Bergbauunternehmens Fortescue Metals. Sein Unternehmen sucht nach Investitionsmöglichkeiten und hält derzeit die USA für das wahrscheinlichste Ziel. Mit den Subventionen ließen sich die Kosten für ein Projekt dort um bis zu 60 Prozent drücken, sagt Debelle.

Die EU bereitet ein eigenes Konjunkturpaket vor. Es lockert die Beschränkungen für Subventionen, die die EU-Mitgliedsländer ihren jeweiligen Industrieunternehmen gewähren können. Bis 2030, so das erklärte Ziel von Brüssel, sollen 40 Prozent jener Schlüsseltechnologien, die für den Übergang zu einer dekarbonisierten Wirtschaftsweise erforderlich sind, in der Gemeinschaft hergestellt werden. Dazu zählen Solaranlagen, die derzeit nahezu ausschließlich von China produziert werden, ebenso wie Windturbinen und Batterien.

Seit Ankündigung des IRA ist die Pipeline zum Aufbau von Produktionskapazitäten für Batterien in den Vereinigten Staaten um 67 Prozent gewachsen. Ihr Volumen entspricht nach Schätzungen der Analysten von Benchmark Minerals Intelligence damit nun der Größe der europäischen Pipeline, die in diesem Zeitraum um 26 Prozent zugelegt hat.


 Das Brexit-Problem 

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August 17, 2023 05:56 ET (09:56 GMT)