Sintra (Reuters) - Die nächste Zinssenkung der EZB wird aus Sicht von Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch relativ leicht zu beschließen sein.

Danach folgende weitere Lockerungsschritte sollten aber nur dann beschlossen werden, wenn die Inflation im Währungsraum klar auf das Notenbankziel von zwei Prozent zusteuert, sagte Wunsch der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte Anfang Juni die Kurswende vollzogen und erstmals seit fast fünf Jahren die Zinsen nach unten gesetzt. Zum Zinspfad danach hielt sich die EZB-Führung aber bislang weitgehend bedeckt.

"Wenn es keine größeren Überraschungen gibt, dann würde ich sagen, dass es auf der Grundlage unserer Prognosen Spielraum für eine zweite Senkung gibt", sagte Wunsch. Eine kleine Abweichung von den Prognosen verändere diese Sichtweise nicht dramatisch. Die EZB-Volkswirte erarbeiten vier Mal im Jahr Konjunktur- und Inflationsprognosen für den Währungsraum. Diese liegen den Währungshütern zu ihren Zinssitzungen im März, im Juni, im September und im Dezember vor. Die jüngsten Projektionen vom Juni gehen davon aus, dass die Teuerungsrate 2025 wieder zur Notenbank-Zielmarke von zwei Prozent zurückkehren wird.

Eine zweite Zinssenkung sei jetzt nicht dringend erforderlich, sagte Wunsch. Die Währungshüter könnten damit bis zu den September-Projektionen warten. "Es ist wahrscheinlich von Vorteil auf eine Sitzung mit Projektionen zu warten, ich würde das aber nicht zur Bedingung machen," sagte das EZB-Ratsmitglied. Die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft lag im Mai bei 2,6 Prozent. Volkswirte gingen zuletzt davon aus, dass die Rate im Juni auf 2,5 Prozent sinken wird. Die EZB-Führung erwartet einen eher holprigen Inflationspfad für die kommenden Monate bis zum Jahresende. Die Euro-Notenbank geht von Raten aus, die um die aktuellen Niveaus herum schwanken. Vor allem die anhaltend hohe Inflation im Dienstleistungssektor und das zuletzt kräftige Wachstum der Löhne bereitet der Notenbank Sorgen.

Weitere Lockerungsschritte setzen aus Sicht von Wunsch eine eindeutige Bewegung der Inflation in Richtung zwei Prozent voraus. "Um mit den Zinssenkungen fortzufahren, müsste ich mehr Gewissheit haben, dass wir wirklich von einer Inflation von 2,5 Prozent auf etwas zurückgehen, was näher bei zwei Prozent liegt", sagte er. Am Finanzmarkt haben sich inzwischen die Zinssenkungserwartungen seit Jahresbeginn deutlich abgeschwächt. Dort wird für den weiteren Jahresverlauf nur noch mit Zinsschritten nach unten im Gesamtumfang von 0,40 Prozentpunkten gerechnet. Das entspricht einem bis maximal zwei Schritten. Aktuell liegt der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, bei 3,75 Prozent.

(Reporter Balazs Koranyi; Bearbeitet von Frank Siebelt; Redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)