Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Alle wissen, was die Europäische Zentralbank (EZB) am 18. Juli nicht machen wird: Die Zinsen senken. Aber wird sie es am 12. September tun? EZB-Rat und EZB-Präsidentin Christine Lagarde werden die Marktteilnehmer und Analysten wohl über ihre Absichten (wenn sie denn schon welche haben) im Unklaren lassen und auf diese Weise einen sommerlichen Cliffhanger produzieren. Vermutlich ist das Gremium auch selbst noch gar nicht sicher, was es will. Denn bis September werden noch einige wichtige Daten veröffentlicht. Neben der EZB stehen in der Woche eine Zinsentscheidung der People's Bank of China an, Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP), die EZB-Quartalsumfrage zur Kreditvergabe, die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland sowie die (verspäteten) deutschen Einzelhandelsumsätze.


   EZB lässt Zinsen unverändert und verrät keine Tendenz für September 

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte am 18. Juli beschließen, seine Zinsen unverändert zu lassen. Analysten rechnen mit einer Bestätigung des Leitzinses von 3,75 Prozent und glauben nicht, dass die EZB deutliche Hinweise auf eine Zinssenkung im September geben wird. Wie schon im Frühjahr dürfte sich auch im Sommer die Sichtweise durchsetzen, dass dem Rat bei der übernächsten Ratssitzung deutlich mehr Informationen zum Inflationsausblick vorliegen werden als bei der nächsten und dass man diese Daten abwarten müsse: "Datenabhängigkeit".

Vor allem geht es um die Verbraucherpreisdaten für Juli und August sowie die Entwicklung von Tariflöhnen, Produktivität und Gewinnen im zweiten Quartal. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Lagarde. Einige Beobachter wollen nicht ausschließen, dass Lagarde eine "konditionierte Guidance" dergestalt gibt, dass die EZB ihre Zinsen im September senken dürfte, wenn sich das Bild nicht deutlich verändert. Die Zinsentscheidung wird am Donnerstag (14.15 Uhr) bekannt gemacht, die Pressekonferenz beginnt gegen 14.45 Uhr.


   EZB veröffentlicht Quartalsbericht zur Kreditvergabe 

Der EZB-Quartalsbericht zur Kreditvergabe gibt Aufschluss darüber, wie sich die Geldpolitik auf Kreditangebot und -nachfrage auswirkt. Diese "Transmission" ihrer Geldpolitik ist für die EZB ein Kriterium, nach dem sie über mögliche Zinssenkungen entscheidet. Derzeit ist die Geldpolitik noch "restriktiv", und sie soll es auch sein - die Frage ist nur: Wie sehr?

Im ersten Quartal hat sich die Kreditnachfrage der privaten Haushalte stabilisiert, die Nachfrage der Unternehmen folgt meistens mit einem halben Jahr Verzögerung. Die Banken hatten ihre Kreditstandards im ersten Quartal erstmals nicht verschärft und auch für das zweite Quartal unveränderte Standards prognostiziert. Die EZB veröffentlicht den Bericht am Dienstag (10.00 Uhr). Eine Stunde später (11.00 Uhr) kommt der Index der Konjunkturerwartung für Deutschland, erhoben vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.


   ZEW-Konjunkturerwartungen sinken im Juli 

Der ZEW-Index ist seit August 2023 ununterbrochen gestiegen, aber im Juli 2024 dürfte Schluss damit sein. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass der Index auf 41,0 (Juni: 47,5) Punkte gesunken ist. Die Ursache dafür dürfte sowohl in enttäuschenden Konjunkturdaten (Ifo, Einkaufsmanagerindizes, harte Daten aus der Industrie), als auch der fortwährenden Beunruhigung von politischer Seite (Frankreich, US-Wahlen, Ukraine-Krieg) zu suchen sein. Der im gleichen Umfeld erhobene Sentix-Erwartungsindex ist deutlich zurückgegangen, der DAX allerdings hat um 1,7 Prozent zugelegt.


   PBoC entscheidet über mittelfristige Kreditzinsen für Banken 

Chinas Zentralbank entscheidet über die mittelfristige Liquiditätsversorgung der Banken - indem sie den Zinssatz für Kredite aus der Medium-Term Lending Facility (MLF) festsetzt und Liquidität zu diesem Satz zuteilt. Im Juni hatte sie diesen Satz unverändert gelassen. Die aktuelle Zinsentscheidung wird am Montag (3.15 Uhr) bekannt gegeben.

Es mehren sich allerdings die Anzeichen dafür, dass die People's Bank of China (PBoC) neue Wege bei der Lockerung ihrer Geldpolitik gehen könnte: Anfang des Monats teilte sie mit, von Geschäftsbanken des Landes Staatsanleihen mit mittlerer und langer Laufzeit für mehrere Milliarden Yuan in unbesicherter Dauerleihe erhalten zu haben, die sie bei Bedarf auf den Markt werfen könnte.


   Chinas Wirtschaft anfällig für Rückschläge 

China hat im ersten Quartal ein lebhaftes Wachstum verzeichnet, so dass das Jahresziel der Regierung in greifbare Nähe gerückt ist. Allerdings rechnen Ökonomen aufgrund der Immobilienkrise und der eskalierenden Handelskonflikte mit einer Abschwächung in den kommenden Monaten und Jahren. Für das zweite Quartal prognostizieren Ökonomen nach dem Factset-Konsens ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Im ersten Quartal war ein BIP-Zuwachs um 5,3 Prozent erzielt worden. Die Regierung hat für 2024 ein Wachstumsziel von rund 5 Prozent ausgegeben. Die Daten werden am Montag (4.00 Uhr) veröffentlicht.

Weitere Wichtige Konjunkturdaten der Woche sind die verspätet kommenden deutschen Einzelhandelsumsätze für Mai (Montag, 8.00 Uhr), die US-Einzelhandelsumsätze für Juni (Dienstag, 14.30 Uhr) und die US-Industrieproduktion für Juni (Mittwoch, 15.15 Uhr).

(Mitarbeit: Andreas Plecko)

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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July 12, 2024 09:11 ET (13:11 GMT)