Berlin (Reuters) - Billigeres Benzin und das neue Deutschlandticket haben die Inflationsrate im Mai auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr gedrückt.

Die Verbraucherpreise lagen im Schnitt 6,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag eine frühere Schätzung bestätigte. Das ist der niedrigste Wert seit März 2022. Im April lag die Teuerungsrate noch bei 7,2 Prozent. "Die Inflationsrate hat sich damit weiter abgeschwächt, bleibt jedoch trotzdem auf einem hohen Niveau", sagte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand. Von April auf Mai fielen die Preise sogar, allerdings nur um 0,1 Prozent.

"Bis zum Jahresende dürfte sich nun der Trend fallender Inflationsraten fortsetzen", erwartet der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. "Allerdings dürfte insbesondere aufgrund der hohen Inflation zum Jahresbeginn die Teuerung im Gesamtjahr 2023 noch bei mehr als fünf Prozent liegen." Für 2024 sei dann eine Inflationsrate von weniger als 2,5 Prozent zu erwarten.

HEIZÖL UND KRAFTSTOFFE DEUTLICH GÜNSTIGER

Für Entspannung sorgten im Mai die Energiepreise: Diese stiegen nur noch um 2,6 (April: +6,8) Prozent. Verantwortlich dafür sei insbesondere ein Basiseffekt aufgrund der starken Preisanstiege im Vorjahr infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Auch die Preisbremsen für Strom, Erdgas und Fernwärme dämpften. Erdgas kostete noch 25,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, Brennholz, Holzpellets oder andere feste Brennstoffe verteuerten sich mit 23,8 Prozent ebenfalls besonders stark. Überdurchschnittlich erhöhten sich auch die Preise für Strom (+12,7 Prozent) und Fernwärme (+11,4). Dagegen verbilligten sich die Mineralölprodukte mit 15,5 Prozent deutlich. Leichtes Heizöl war um 30,5 Prozent günstiger zu haben als im Mai 2022, Kraftstoffe wie Benzin kosteten 14,2 Prozent weniger.

Nahrungsmittel verteuerten sich zwar mit 14,9 Prozent erneut deutlich, allerdings nicht mehr so stark wie im April mit 17,2 Prozent. Teurer wurden vor allem Molkereiprodukte (+28,2 Prozent), Brot und Getreideerzeugnisse (+19,3 Prozent) sowie Fisch, Fischwaren und Meeresfrüchte (+19,0 Prozent). Auch für Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren (+17,9 Prozent) sowie für Gemüse (+17,3 Prozent) mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar mehr bezahlen. Hingegen waren Speisefette und Speiseöle um 7,1 Prozent günstiger, insbesondere durch den Preisrückgang bei Butter (-23,3 Prozent).

EZB VOR ZINSERHÖHUNG

Dienstleistungen kosteten im Schnitt 4,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (April: +4,7 Prozent). Hier habe sich die Einführung des 49 Euro teuren Deutschlandtickets "leicht dämpfend" auf die Preisentwicklung ausgewirkt, so die Statistiker. Die kombinierten Tickets für Bahn, Bus und Ähnliches verbilligten sich um 22,9 Prozent im Vergleich zum Mai 2022.

Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt für den Euroraum eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an. Wegen der hartnäckig hohen Teuerung dürfte sie an diesem Donnerstag ihren Leitzins erneut anheben - und zwar von 3,75 auf 4,00 Prozent. "Da die Inflation sich absehbar in Richtung des Ziels der Europäischen Zentralbank von 2,0 Prozent entwickelt, zugleich aber die kräftigen Zinserhöhungen der vergangenen Monate ihre volle Wirkung erst mit Zeitverzögerung entfalten, sollte die EZB mit ihren Zinsschritten nun zunächst eine Pause einlegen und die weitere Entwicklung abwarten", sagte IMK-Direktor Dullien.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)