Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag sowohl seine Zinsen als auch die Zins-Guidance sowie die Wertpapierkaufprogramme und die sie betreffende Guidance unverändert lassen. Alle 45 von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte rechnen damit, dass der ausschlaggebende Bankeinlagensatz bei 4,00 Prozent bleiben wird.

Die Erwartungen des Marktes nach einer baldigen Zinssenkung haben sich seit Jahresbeginn deutlich abgekühlt und betrafen ohnehin nie den Januar, sondern frühestens den März. Die Ratssitzung wird allgemein als Übergangssitzung zu der im März eingestuft. Dann werden der EZB neue Stabsprojektionen zu Inflation und Wachstum vorliegen. Analysten rechnen damit, dass die EZB die "Datenabhängigkeit" ihres geldpolitischen Kurses bekräftigen und Präsidentin Christine Lagarde Hoffnungen auf eine erste Zinssenkung vor dem Sommer zu dämpfen versuchen wird.

Verschiedene EZB-Offizielle haben angedeutet, dass die notwendigen Informationen, die es zur Beurteilung der Lohnentwicklung 2024 braucht, wohl erst zu der Ratssitzung im Juni vorliegen werden. Die Inflation im Euroraum ist im Dezember von 2,4 auf 2,9 Prozent gestiegen, wobei die Kerninflation von auf 3,6 auf 3,4 sank. Beide Raten waren damit erneut etwas niedriger als erwartet.

Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte prognostizieren für 2024 und 2025 Inflationsraten von 2,4 (bisher: 2,7) und 2,1 Prozent. Das Wirtschaftswachstum sehen sie bei 0,5 (0,5) und 1,3 Prozent. Für die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen werden auf Sicht von drei, sechs und zwölf Monaten Raten von 2,28 (2,53) Prozent, 2,30 (2,43) und 2,23 (2,30) Prozent erwartet und für den Euro-Kurs 1,09 (1,08), 1,10 (1,09) und 1,12 (1,11) US-Dollar.

Die EZB wird ihre geldpolitischen Entscheidungen am Donnerstag um 14.15 Uhr bekanntmachen. Gegen 14.45 Uhr beginnt die Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

Folgende Beschlüsse sind im Einzelnen zu erwarten:


   1. Leitzinsniveau bleibt unverändert 

Der Satz für Bankeinlagen bei der EZB bleibt bei 4,00 Prozent, der Hauptrefinanzierungssatz bei 4,50 Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz bei 4,75 Prozent.


   2. Zins-Guidance bleibt bestehen 

Dass die Zinsen ausreichend lange ausreichend restriktiv bleiben müssen, um die Inflation rechtzeitig auf 2 Prozent zu senken, dürfte die EZB ebenso bekräftigen wie die Aussage, dass die weiteren geldpolitischen Schritte datenabhängig erfolgen sollen. Fraglich ist, ob Lagarde in ihrer Pressekonferenz erneut sagen kann, dass über Zinssenkungen überhaupt nicht geredet wurde. "Falken" wie Joachim Nagel und Robert Holzmann würden diese Sprachregelung wohl gerne aufrechterhalten.

Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte sehen den Einlagensatz am Ende des zweiten Quartals bei 3,75 Prozent und am Ende des dritten bei 3,50 Prozent.


   3. APP-Anleihebestände sinken moderat 

Sie verringern sich weiterhin mit moderatem und berechenbarem Tempo. Mit einem aktiven Verkauf ist nicht zu rechnen.


   4. PEPP-Wiederanlage läuft am Jahresende aus 

Die Tilgungsbeträge von fällig gewordenen Anleihen, die unter dem PEPP-Programm erworben wurden, werden nur noch während des ersten Halbjahres 2024 voll wieder angelegt. Ab dem zweiten Halbjahr sollen die PEPP-Bestände monatlich im Durchschnitt um 7,5 Milliarden Euro sinken. Der Rat will flexibel vorgehen, um den Risiken für den geldpolitischen Transmissionsmechanismus entgegenzuwirken, die sich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ergeben.


   5. Refinanzierungsgeschäfte 

Der Rat will darauf achten, wie sich die Rückzahlung der langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) durch die Banken auf die geldpolitische Ausrichtung auswirkt.


   6. Spread-Kontrolle steht bereit 

Der Rat ist bereit, im Notfall und unter bestimmten Voraussetzungen gezielt Anleihen bestimmter Staaten zu kaufen, wenn deren Zinsen die Übertragung der Geldpolitik behindern. Dazu heißt es, es stehe das Transmissionsschutzinstrument (TPI) zur Verfügung, um "einer ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamik entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik in allen Ländern des Euro-Währungsgebiets" darstelle.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/rio

(END) Dow Jones Newswires

January 22, 2024 10:16 ET (15:16 GMT)