Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Stimmung an den Börsen könnte kaum schlechter sein. Die Furcht vor einer Eskalation des Konflikts im Nahen Osten löst neue Wachstumssorgen aus. Zugleich geht es mit den Renditen an den Anleihemärkten weiter nach oben. Im dem Umfeld dürfte die EZB auf ihrer geldpolitischen Sitzung in der kommenden Woche still halten. Anlegern bleibt die Hoffnung auf einen positiven Verlauf der gerade beginnenden Berichtssaison für das dritte Quartal.

Der DAX ist unter die psychologische Schwelle von 15.000 gefallen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: da wäre der Konflikt im Nahen Osten. Solange sich dieser auf Israel und den Gaza-Streifen begrenzt, dürften sich die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte in Grenzen halten. Anders sähe es aus, sollten der Iran oder die USA direkt in den Konflikt eingreifen. Insbesondere eine Blockade des Suezkanals oder der Straße von Hormus haben als vitale Adern des Welthandels Verwerfungspotenzial.


   Anleihemärkte werden ihrer Rolle als "sicherer Hafen" nicht gerecht 

Eigentlich sollte der Anleihemarkt von der Entwicklung profitieren. Das tut er aber nicht, im Gegenteil: die Rendite der 10-jährigen Treasuries ist auf knapp 5 Prozent gestiegen und damit auf den höchsten Stand seit 2007. Grund dafür ist die resiliente US-Wirtschaft sowie der anhaltend starke US-Arbeitsmarkt. "Higher for longer" lautet die Devise mit Blick auf die US-Leitzinsen. Ob die US-Notenbank tatsächlich ab Mitte kommenden Jahres damit beginnt, die Zinsen zu senken, bleibt abzuwarten. Profiteur der Entwicklung ist Gold - das Edelmetall steht bei fast 2.000 Dollar.

Deutlich schwächer gestaltet sich die wirtschaftliche Entwicklung jenseits des Atlantiks. Das dürften die am Dienstag anstehenden Einkaufsmanagerindizes aus der Eurozone für Oktober einmal mehr unterstreichen. Sowohl der Index für das verarbeitende Gewerbe sowie jener für den Dienstleistungssektor werden wohl unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten liegen und mithin die Rezessionsrisiken für den Euroraum einmal mehr unterstreichen.


   Inflation entwickelt sich in die richtige Richtung 

In dem Umfeld ist nicht davon auszugehen, dass die EZB am Donnerstag an der Zinsschraube drehen wird. Und das nicht nur wegen der europäischen Wachstumssorgen, sondern auch wegen der sich nach unten entwickelnden Inflation. Diese sollte bis Jahresende in den Bereich von 3 Prozent fallen und damit in Sichtweite des EZB-Inflationsziels, vorausgesetzt die Lage im Nahen Osten gerät nicht vollends außer Kontrolle und treibt die Ölpreise massiv nach oben.

Gegen einen Zinsschritt bei der anstehenden Sitzung spricht nach Einschätzung der Commerzbank auch, dass EZB-Ratsmitglied Kazimir kürzlich die besondere Bedeutung der kommenden Projektionen im Dezember und März herausgestellt habe. Dies spreche dafür, dass die EZB in Zukunft wieder wie in früheren Zeiten wichtige (Zins-)Entscheidungen eher bei den Sitzungsterminen treffen werde, bei denen neue EZB-Projektionen vorgestellt würden, und dies werde erst wieder im Dezember der Fall sein.


   Berichtssaison für das dritte Quartal läuft an 

Was Anlegern aktuell bleibt, ist die Hoffnung auf einen günstigen Verlauf der gerade beginnenden Berichtssaison für das dritte Quartal. Die ersten Indikationen sind durchwachsen ausgefallen. Nach Einschätzung von Aktienstratege Joachim Schallmayer von der DekaBank könnte die Berichtssaison positiv überraschen und leichte Aufwärtsrevisionen bei den Konsensschätzungen auslösen. Die Unternehmensgewinne seien "wenig dynamisch, aber stabil".

Es bleibt zu hoffen, dass Schallmayer Recht behält. Sonst drohen weitere Kursverluste im DAX bis in den Bereich von 14.000 Punkten. Dann würde der DAX bewertungstechnisch allerdings auf einem extrem niedrigen Niveau notieren. Bereits aktuell notiert der deutsche Auswahlindex mit einem KGV von 10,8 weiter unter seinem historischen Durchschnitt. Wer noch nicht die Hoffnung aufgegeben hat, dass die Lage irgendwann auch wieder besser wird, sollte eine Aufstockung seines Aktien-Portfolios in Betracht ziehen.

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October 20, 2023 07:52 ET (11:52 GMT)