Berlin/Brüssel (Reuters) - Westliche Regierungen haben die Wiederwahl des russischen Präsidenten Wladimir Putin als weder frei noch fair verurteilt.

Die Außenministerinnen und Außenminister der 27 EU-Staaten wollten in Brüssel eine entsprechende Erklärung verabschieden, wie Chefdiplomat Josep Borrell vor Beginn des Treffens am Montag in Brüssel mitteilte. "Die Wahl in Russland war eine Wahl ohne Wahl", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Auch die britische Regierung äußerte sich entsprechend. Gratulationen für Putin kamen dagegen aus China, Nordkorea und Indien.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz ließen mitteilen, entgegen der sonst üblichen Gepflogenheiten Putin nicht zur Wiederwahl zu gratulieren. "Es war keine demokratische und faire Wahl", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann in Berlin. "Russland ... ist heute eine Diktatur und wird von Wladimir Putin autoritär beherrscht." Auf die Frage, ob man Putin künftig als Präsident oder Machthaber bezeichne, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, dass man in letzter Zeit nur noch den Namen Putin ohne Amtsbezeichnung benutze.

Baerbock sagte, dass auch in Teilen der Ukraine, Moldaus und Georgiens abgestimmt worden sei, "ist völkerrechtswidrig". Ein Sprecher des Auswärtigen Amts ergänzte in Berlin: "Die Ergebnisse solcher Scheinwahlen werden wir nicht anerkennen." Dies gelte auch für die Abstimmung in den russisch besetzten und annektierten Gebiete im Osten und Süden der Ukraine. Putin wurde dem am Montag mitgeteilten Endergebnis zufolge laut Wahlbehörde mit 87,28 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Damit kann der 71-Jährige das Land sechs weitere Jahre regieren. Er steht bereits seit 1999 an der Spitze Russlands. Die Wahlbeteiligung lag den Angaben zufolge 77,44 Prozent und damit so hoch wie noch nie seit Ende der Sowjet-Zeit.

Die EU warf der russischen Regierung große Einschränkungen bei der Abstimmung vor, die durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine noch verschärft worden seien. Bedauert wird, dass keine internationalen Wahlbeobachter zugelassen worden seien. Damit sei eine unabhängige Bewertung des Votums verweigert worden. Zudem hieß es, die Wahlergebnisse in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten seien unwirksam. Baerbock kündigte weitere EU-Sanktionen gegen Russland an, auch mit Blick auf den nach wie vor ungeklärten Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny in einem sibirischen Straflager Mitte Februar.

"EINE WEITERE WAHL GESTOHLEN"

Der britische Außenminister David Cameron sagte, der Verlauf der Wahl zeige die "Tiefe der Repression" in Russland. "Putin räumt seine politischen Gegner aus dem Weg, kontrolliert die Medien und krönt sich selbst als Gewinner, das ist keine Demokratie." Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps erklärte auf der Online-Plattform X: "Putin hat eine weitere Wahl gestohlen, aber er wird nicht die Ukraine stehlen." Aus dem Weißen Haus in Washington hatte es am Sonntagabend in einer ersten Reaktion geheißen, die Wahl sei offensichtlich weder frei noch fair gewesen. Putin habe seine Gegner ins Gefängnis werfen lassen und andere daran gehindert, gegen ihn anzutreten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, "der russische Diktator" habe "eine weitere Wahl simuliert". Putin müsse in Den Haag vor Gericht gestellt werden. "Dafür müssen wir sorgen." Russland hält nach Beginn des Angriffskriegs am 24. Februar 2022 nach wie vor etwa 20 Prozent der Ukraine besetzt. Die Halbinsel Krim hatte Putin bereits 2014 völkerrechtswidrig annektiert. Im Zuge des Krieges seit Februar 2022 hat Russland vier ukrainische Gebiete ebenso völkerrechtswidrig annektiert - Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk.

China gratulierte Putin am Montag zur Wiederwahl und betonte, die strategischen Beziehungen beider Länder weiter stärken zu wollen. Ähnlich äußerte sich auch der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un. Auch der indische Ministerpräsident Narendra Modi sendete Glückwünsche nach Moskau und erklärte, er freue sich darauf, die "bewährte spezielle und privilegierte strategische Partnerschaft" beider Länder zu stärken. Der Kreml selbst erklärte, das Wahlergebnis sei Ausdruck dafür, wie sehr sich die Menschen in Russland um Putin scharrten.

(Bericht von Alexander Ratz, Andreas Rinke, Reuters-Büros; Redigiert von; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)