Taipeh (Reuters) - Einen Tag nach der Amtseinführung des taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te nehmen die Spannungen im Parlament in Taipeh zu.

In einem Streit über die von der Opposition angestrebte Parlamentsreform kam es am Dienstag erneut zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den Abgeordneten. Vor dem Parlamentsgebäude versammelten sich Hunderte Menschen, um gegen die Reformen zu protestieren. Sie werfen der Opposition vor, mit China zusammenzuarbeiten und die Demokratie abschaffen zu wollen.

Mitglieder der Demokratischen Fortschrittspartei (DFP) von Lai trugen Stirnbänder mit der Aufschrift "Die Demokratie ist tot" und machten ihrem Ärger über die Opposition Luft. "Auf dem Rednerpult steht heute nicht die KMT oder die TVP - es ist Xi Jinping", sagte der DFP-Fraktionschef Ker Chien-Ming und bezog sich dabei auf den chinesischen Präsidenten.

Vonseiten der Opposition hallte es Gegenrufe. Yang Chih-Yu von der nationalistischen Kuomintang (KMT) sagte, "die DFP schürt den Populismus, und ihre reformfeindlichen Aktionen stehen auf tönernen Füßen." Bereits am Freitag kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen den Parlamentariern, die sich schlugen, schubsten und anschrien.

Hintergrund sind Forderungen der Opposition nach Reformen, die dem Parlament eine stärkere Kontrolle über die Regierung ermöglichen würden. Dazu haben sich die beiden wichtigsten Oppositionsparteien zusammengeschlossen. Zusammen verfügen die KMT und die Taiwanische Volkspartei (TVP) über genügend Sitze für eine Mehrheit. Die KMT steht für engere Beziehungen zu China, sie dementiert jedoch prochinesisch zu sein. Die TVP will auch die Fühler nach China ausstrecken, aber zugleich die Demokratie in Taiwan erhalten. Lai tritt für die Eigenständigkeit der Insel ein. Bei den Wahlen im Januar verlor seine DFP jedoch die Mehrheit im Parlament.

Der Status Taiwans ist einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen den USA und China. Die Insel ist zwar seit 1949 selbstverwaltet, wird heute jedoch aus Rücksicht auf China nur von wenigen Staaten als unabhängig anerkannt. Die kommunistische Führung in Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz. Sie sieht in Lai einen Separatisten und warnte angesichts seiner Amtseinführung vor einer Eskalation der Spannungen.

(Bericht von Ben Blanchard und Yimou Lee, geschrieben von Philipp Krach, redigiert von Thomas Seythal. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)