FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 20. Januar 2016. Anleger ziehen Reißleine - in vielen Fällen wohl mit Verlust. Und lösen damit auch die Marktschieflage zwischen optimistischer Wahrnehmung und Realität mit roten Vorzeichen auf.

Nun hat der DAX gegenüber dem Schlusskurs des Vorjahres zum Zeitpunkt der jüngsten Stimmungserhebung fast 13 Prozent an Wert verloren. Und wenn wir gegenüber dem vergangenen Mittwoch einen Verlust von beinahe 7 Prozent notieren müssen, dann ist klar, dass diese Entwicklung nicht ohne Folgen für die Engagements unserer wöchentlich befragten institutionellen Investoren bleiben konnte. In Kombination mit dem abermaligen Kursrutsch ist auch der Börse Frankfurt Sentiment-Index massiv eingebrochen und weist nunmehr nur noch einen Wert von +17 aus - ein Rückgang von 20 Zählern gegenüber der Vorwoche. Dabei verteilt sich der Abgang aus dem Bullenlager in Höhe von insgesamt 13 Prozent aller Befragten fast zu gleichen Teilen auf jene Akteure, die lediglich ihre Verluste realisiert haben, und diejenigen, die selbst nach dem deutlichen Rückgang des DAX noch auf weiter fallende Kurse setzen.

Eine derartige Entwicklung trägt durchaus Züge einer Verkaufspanik, die lediglich durch eine Korrektur am gestrigen Handelstag unterbrochen wurde. Dabei dürfte es keine Rolle mehr gespielt haben, ob nun die Entwicklung in China - einige Analysten sehen die dortige Situation mittlerweile ohnehin etwas gelassener - oder der unaufhaltsame Absturz des Ölpreises den letzten Anstoß für die jüngsten Verkäufe gegeben hatte. Nach dem Rekordoptimismus zu Jahresbeginn ist nun also auch bei den mittelfristig orientierten Akteure Ernüchterung eingekehrt: Wir notieren den niedrigsten Index-Wert seit 19. August 2015.

Wesentlich besser haben sich während der vergangenen drei Wochen die Privatanleger geschlagen, deren Optimismus aber ebenfalls noch einmal zurückgegangen ist. Denn gegenüber der Vorwoche ist der Börse Frankfurt Sentiment-Index um 8 auf nunmehr gerade einmal 6 Punkte gefallen. Dabei sind es weniger ehemalige Optimisten, die auf die Stimmung gedrückt haben. Vielmehr sind es neue bearishe Engagements vormals neutral eingestellter Anleger, die unser Stimmungsbarometer weiter in Richtung der neutralen Nulllinie nach unten gezogen haben. Dabei stellen wir außerdem eine starke Polarisierung zwischen Bullen und Bären fest. Im Vergleich zum Halbjahresmittel des Vorjahres befindet sich die Stimmung der Privatanleger nun sogar in negativem Terrain.

Relativer Pessimismus macht sich breit

Die jüngste Kapitulation vieler vormals optimistisch eingestellter institutioneller Investoren dürfte somit zum deutlichen Einbruch des DAX beigetragen haben. Auch bei dieser Gruppe befindet sich der Börse Frankfurt Sentiment-Index nun deutlich unter dem Halbjahresmittel des Vorjahres von knapp 27 Punkten und könnte somit durchaus als relativer Pessimismus eingestuft werden. Damit hat sich die starke Wahrnehmungsverzerrung, die sich einerseits in einem robusten Optimismus und andererseits in einem starken Kursverfall des DAX seit Jahresanfang ausgedrückt hatte, aufgelöst. Mehr noch hat sich das Sentiment zwischen institutionellen und privaten Anlegern wieder deutlich angenähert.

So hat sich die starke sentiment-technische Belastung für den DAX de facto verflüchtigt, weshalb man von einer beinahe bereinigten Marktsituation sprechen kann. Allerdings ist die Stimmung noch nicht so schlecht, dass man deswegen bereits das Ende des derzeitigen Abwärtstrends ausrufen könnte. Dennoch ist die Kraft für eine deutliche Aufwärtskorrektur gewachsen. Denn mit den jüngsten Aktienverkäufen stellt sich nicht nur automatisch eine bessere Nachfragesituation im Falle weiter sinkender Kurse dar, was wahrscheinlich spätestens knapp oberhalb der 9.000er Marke virulent werden dürfte. Auch die Wetten auf eine substantielle Abwärtsbewegung, die manche Akteure noch spät eingegangen sind, werden voraussichtlich nicht lange Bestand haben und dann eine eventuelle Aufwärtskorrektur des DAX durch schnelle Rückkäufe verstärken.

von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

© 20. Januar 2016

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)