FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Roger Peeters beobachtet in der laufenden Berichtssaison deutlich stärkere Reaktionen auf unvorhergesehene Ergebnisse - nach unten wie nach oben. Das bedeute zwar mehr Stress für Anleger, biete aber auch Chancen.

22. Oktober 2018. FRANKFURT (pfp Advisory). Wieder sind drei Monate vergangenen und der bunte Reigen der Unternehmensberichte zum Verlauf des dritten Quartals füllt die Kalender von Investoren und Analysten. Doch nicht nur für die, die Entscheidungen treffen müssen, beginnt eine ereignisreiche Saison. Auch für all jene, die berichtend zum Geschehen Stellung nehmen, beispielsweise Kapitalmarktstrategen oder auch Finanzjournalisten, ist Berichtszeit eine ausgesprochen wichtige Phase. Ich würde sogar behaupten, dass es für diesen Personenkreis sogar eine segensreiche Zeit ist.

Denn einerseits ist schlicht immer was los und es gibt genug berichtenswertes. Zudem ist die Berichtssaison die ideale Phase, um mit bildlichen Vergleichen dröge Berichte aufzuhübschen. Formulierungen wie "Nun trennt sich die Spreu vom Weizen" oder "Die Saison bringt Licht und Schatten mit sich" werden Sie in den kommenden Wochen reichlich lesen können. Positiv gesprochen sind es klassische Formulierungen, kritisch gesehen Phrasen, die im Kern immer das Gleiche ausdrücken: In Zeiten der zahllosen Veröffentlichungen von Geschäftsdaten rückt die Entwicklung in den einzelnen Unternehmen in den Mittelpunkt und das breite Marktgeschehen verliert ein wenig an Relevanz für das Auf und Ab an der Kurstafel.

Doch auch an Phrasen ist zumeist ein wahrer Kern auszumachen. Und in dieser Berichtssaison, so zumindest ist mein Eindruck nach den ersten Tagen mit einer Vielzahl relevanter Berichte, ist tatsächlich eine wirklich sehr spürbare Unterscheidung greifbar. Das betrifft sowohl das, was die Unternehmen den Anlegern bieten als auch das, was die Investoren daraus machen.

Natürlich gibt es in jeder Berichtsaison Firmen, die das gewünschte bzw. erwartete Ergebnis abliefern oder sogar übererfüllen, genauso wie es Konzerne gibt, die die Latte reißen. Doch zeigt sich in diesem Herbst nicht nur ein heterogenes Bild mit einem leichten Überhang der negativen Überraschungen, sondern auch ein in Branchenhinsicht buntes Spektrum. Abgesehen von Automobilherstellern und -zulieferern, bei dem es tatsächlich auch in der Breite reichlich Verfehlungen von bereits reduzierten Erwartungen und Prognosesenkungen gab, liegen Freud und Leid sonst auch innerhalb von Sektoren ausgesprochen eng beieinander.

Einher gehend damit zeigen sich die Anleger ausgesprochen resolut in ihren Reaktionen. Abweichungen werden massiv sanktioniert. Kursgewinne und -verluste, die auch bei großkapitalisierten Werten bis in den prozentual zweistelligen Bereich gehen, waren bereits mehrfach zu sehen und zeigen die vorhandene Anspannung im Markt. Diese eskaliert bei negativen Überraschungen bzw. löst sich in einer massiven Entspannung, wenn das Erwünschte oder sogar mehr geliefert wird.

Für Anleger bedeuten solche Phasen natürlich auch ein Stück weit Stress, sehen sie dann nicht nur Meldungen auf dem Ticker, sondern schnell massive Wertveränderungen in ihrem Depot, das mutmaßlich ohnehin bereits durch den Marktabschwung gebeutelt ist. Gleichwohl sind solch Phasen mit prägnanten Reaktion für echten Stock-Picker überaus wertvolle Intervalle.

Denn sowohl die deutlichen Abweichungen der Zahlen als auch die massiven Wertveränderungen geben wichtige Leitplanken für die künftigen Entscheidungen. Es zeigt sich deutlicher denn in ruhigen Zeiten, welche Geschäftsmodelle tatsächlich robust und nachhaltig sind und man bekommt durch die Intensität der Reaktionen auch ein interessantes, ungeschminktes Bild über die (potenziellen) Mitaktionäre mitsamt ihrer Ausrichtung und Weitsicht. Von daher ist diese Berichtssaison nicht nur eine, die in ihrer Struktur verläuft, wie es im Lehrbuch steht, sondern auch eine, die engagierten Anlegern eine echte Menge Mehrwert liefert.

von Roger Peeters

22. Oktober 2018, © Deutsche Börse AG

Über den Autor

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DB Platinum IV Platow Fonds (WKN DWS030), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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