Die Aussichten der deutschen Wirtschaft hellen sich trotz der aufkommenden Gefahr einer zweiten Coronawelle zusehends auf.

Das vom Münchner Ifo-Institut ermittelte Geschäftsklima verbesserte sich zum dritten Mal in Folge, was Experten als konjunkturelle Trendwende werten. "Die deutsche Wirtschaft erholt sich schrittweise", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Montag zu dem Barometer seines Instituts, das im Juli auf 90,5 Zähler von 86,3 Punkten im Juni kletterte. Auch die Bundesbank sieht die Konjunktur hierzulande im zweiten Halbjahr auf Erholungskurs. Doch es lauern weiter Gefahren, wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte: "Corona kommt schleichend zurück, aber mit aller Macht."

Söder fordert ein deutschlandweites Konzept mit Pflicht-Tests für Urlaubs-Heimkehrer aus Risikogebieten. In den vergangenen Tagen häuften sich Meldungen über Corona-Ausbrüche an Urlaubsorten - zuletzt am Wolfgangsee in Österreich. In Deutschland stieg die Zahl der bekannten Infektionen jüngst um 340 auf 205.609, wie aus Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Die zweite Infektionswelle der Corona-Pandemie sei bereits ins Rollen gekommen, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).

"VORSICHT BEI KONJUNKTURPROGNOSEN"

"Wie die Erholung weitergehen wird, hängt maßgeblich vom Infektionsgeschehen ab", betonte der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, im Gespräch mit dem "Handelsblatt". Wenn die Zahlen der Neuinfektionen stark steigen würden, könnten erneute Lockdowns die Erholung bremsen. "Was mich nachdenklich stimmt, sind die härteren Maßnahmen etwa in der Schweiz, Österreich und Frankreich, wo die Öffnung teilweise zurückgenommen wird", sagte Feld. Wirklich besorgniserregend sei aber die Entwicklung in den USA, wo der Kongress angesichts einer Welle von Neuinfektionen gerade ein neues Corona-Hilfspaket schnürt. Die Folgen der Corona-Krise in den Vereinigten Staaten könnten auf die Exportwirtschaft durchschlagen, erklärte der Freiburger Ökonom: "Ich rate deshalb weiter zur Vorsicht bei Konjunkturprognosen."

Das Münchner Ifo-Institut geht weiter davon aus, dass sich die Wirtschaft im Sommer deutlich vom Corona-Schock erholen wird: Die Forscher erwarten für das dritte Quartal ein BIP-Wachstum von 6,9 Prozent. Dazu passt, dass auch wichtige Konjunkturbarometer jüngst wieder Wachstum anzeigten. Die Erholung folgt auf einen beispiellosen Konjunktureinbruch im Frühjahr. Von Reuters befragte Ökonomen gehen im Mittel davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal um 9,0 Prozent geschrumpft ist - nach einem Minus von 2,2 Prozent im Auftaktquartal.

Die genaue Zahl wird am Donnerstag vom Statistischen Bundesamt im Rahmen einer Schnellschätzung veröffentlicht. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer geht davon aus, dass die BIP-Zahlen in anderen Ländern des Euro-Raums noch weit schlechter ausfallen werden: "So rechnen wir für Frankreich mit einem Minus von 14 Prozent, für Italien mit 13 Prozent und für Spanien mit 12 Prozent. Für den Euro-Raum als Ganzes ergibt sich ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 11 Prozent, wobei auch hier die Unsicherheit sehr hoch ist."

Wie aus der Ifo-Umfrage hervorgeht, legten zum Beginn des Quartals die Exporterwartungen der deutschen Wirtschaft aber leicht zu. Trotz Corona-Pandemie gehe es in vielen Länder aufwärts, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Gespräch mit Reuters. In Spanien und Italien sei die Industrieproduktion gestiegen: "China floriert ohne Ende". Davon profitiere auch die Ausfuhrwirtschaft: "Das Tal der Tränen haben die Exporteure verlassen."

Trotz der nun erkennbaren wirtschaftlichen Aufhellung in Deutschland sollte man jedoch "Demut walten lassen", meint Chefökonom Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank. "Der deutsche Konjunkturmotor stotterte bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Wie es um die deutsche Wirtschaft tatsächlich steht, offenbart sich dann im kommenden Jahr."