BERLIN (dpa-AFX) - Mehr als jeder zehnte Haushalt in Deutschland hat zuletzt Hilfen vom Staat bei den Wohnkosten bekommen. Wohngeld und Kosten von Unterkunft und Heizung für Hartz-IV-Empfänger summierten sich im Jahr 2017 auf rund 17,5 Milliarden Euro, wie aus einem Bericht hervorgeht, der am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen wurde. Rund 4,4 Millionen Haushalte profitierten.

Das Wohngeld ist ein staatlicher Mietzuschuss für Familien, in denen es zwar Einkommen gibt, aber nur wenig. Es soll zum Jahr 2020 reformiert werden: Der Zuschuss soll steigen und mehr Haushalte sollen profitieren. Bei Hartz-IV-Empfängern werden Kosten für Unterkunft und Heizung bis zu einer bestimmten Grenze übernommen.

Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die am Mittwoch vorgestellt wurde, sind die Wohnkosten seit 1996 insbesondere für Mieter stark gestiegen. Dies treffe vor allem ältere Menschen ab 65 Jahren hart, weil ihre Einkommen nicht im selben Maße zunehmen. Im Jahr 2016 gaben Mieterhaushalte mit mindestens einem Bewohner ab 65 Jahren laut DIW im Schnitt 34 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen aus. Bei den Eigentümerhaushalten waren es hingegen nur 15 Prozent des Einkommens. Außerdem seien die Wohnkosten für Mieter ab 65 Jahren seit 1996 deutlich stärker gestiegen (+101 Prozent) als für Eigentümer (+77 Prozent).

Der Berliner Senat hatte jüngst Eckpunkte für einen "Mietendeckel" beschlossen. Dieses Konzept sei am Mittwoch nicht Thema im Kabinett gewesen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Ein Sprecher des auch für Bau zuständigen Bundesinnenministeriums sagte, Bauminister Horst Seehofer (CSU) sei "nicht davon überzeugt, dass man durch planwirtschaftliche Eingriffe in den Markt das Problem langfristig und tragfähig beheben kann".

In Berlin sollen die Mieten für frei finanzierte Wohnungen im kommenden Jahr für fünf Jahre eingefroren werden. Der "Mietendeckel" betrifft laut einem Senatsentwurf "nicht preisgebundene Wohnungen in Mehrfamilienhäusern". Außerdem ist vorgesehen, überhöhte Mieten auf Antrag zu senken. Nicht gelten sollen die Regeln für den sozialen Wohnungsbau und für Neubauwohnungen bei Erstvermietung.

Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung vor allem auf den Neubau von Wohnungen, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen. "Ausreichend bezahlbarer Wohnraum ist eine der wesentlichen sozialen Fragen unserer Zeit", sagte Seibert. Die Bundesregierung habe deswegen im März des vergangenen Jahres eine Vielzahl neuer Maßnahmen eingeleitet, um den Wohnungsneubau zu intensivieren und die Bezahlbarkeit des Wohnens zu sichern. Derzeit gebe es 700 000 fertige Baugenehmigungen, die auf Umsetzung warteten.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums stieg die Gesamtzahl der Fertigstellungen im Jahr 2018 um rund ein Prozent auf 287 000 Wohnungen. Deutlich stärker war der Anstieg in der Kategorie der Mehrfamilienhaus-Wohnungen, denen im Hinblick auf den Mietwohnungsbau eine besonders hohe Bedeutung zukommt. Hier waren es 2018 fast zehn Prozent mehr Fertigstellungen als 2017.

Am Dienstag hatte eine Experten-Kommission der Bundesregierung ihre Empfehlungen dafür vorgelegt, wie der bundesweite Wohnungsbau weiter in Schwung gebracht werden könnte. Demnach sollten Gemeinden bei der Vergabe von Grundstücken weniger auf den Höchstpreis abzielen müssen und stattdessen den Bau von günstigen Wohnungen fördern können. Außerdem ist es laut Bauland-Kommission sinnvoll, im Rahmen einer anstehenden Reform des Baugesetzbuches sogenannte Baugebote leichter zur Anwendung zu bringen. Damit könnten Eigentümer gezwungen werden, ihre Grundstücke innerhalb einer Frist zu bebauen oder alternativ zu verkaufen./tam/DP/fba