72 UNTERNEHMEN SPEZIAL

Geschäftsmodell

Vertrauen

Eine exklusive Studie kürt 50 Familienunternehmen als besonders innovativ und nachhaltig. Die Sieger sind lange Jahre erfolgreich - und geben der Gesellschaft etwas zurück.

TEXT RÜDIGER KIANI-KRESS, STEPHAN KNIEPS

  • lags sind weder glamourös noch besonders be- liebt, zumindest nicht bei Schülern. Eineie Produkte des Stuttgarter Ernst-Klett-Ver-

3.12.2021 / WirtschaftsWoche 49

Schulbuchreihe für die Klassen 1 bis 4 trägt den Namen "Zebra" ("Sprache/Lesen/Schreiben"); die Fremdspra- chenbücher heißen "Green Line" und "Découvertes". Lehrern geben sie Orientierung. Sie laden Lernmaterial im "E-Course" runter, tauschen sich im "Zebra-Blog" über Neues an Grundschulen aus. "Der Blog wurde wäh- rend des Distanzunterrichts stark genutzt", sagt Tilo Knoche, 55, Chef des Ernst-Klett-Verlags.

Knoche sieht gerade das digitale Geschäft aufgrund der Pandemie stärker in den Fokus gerückt: "Wir sind schon lange kein Schulbuchverlag mehr, wir sind ein Bil- dungsmedienverlag." Der Verlag biete 16 verschiedene Medienarten an, "das Schulbuch ist nur eines davon".

Wenig aufreizende Produkte, starke Verbreitung, relevante Anwendungen: Damit steht die Klett-Gruppe,

zu welcher der Ernst-Klett-Verlag gehört, prototypisch für viele familiengeführte Mittelständler - und deren Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Familienunter- nehmen mit 250 Millionen bis einer Milliarde Euro Um- satz, sozusagen der ökonomische Mittelbau, stehen au- ßerhalb ihrer Branchen eher selten in der ersten Reihe - und tragen doch wesentlich zum Wohlstand bei.

Das Düsseldorfer Marktforschungsinstitut Innofact hat für die WirtschaftsWoche nun zum zweiten Mal die besten dieser mittelgroßen Familienfirmen ermittelt. Rund 1300 Menschen hat Innofact dazu befragt, nach Kriterien wie Vertrauen, Qualität, Innovation, Nachhal- tigkeit und Image (siehe Kasten: Methode).

Die Stuttgarter Klett-Gruppe konnte die Befragten am meisten überzeugen. Rund 900 Millionen Euro Um- satz verbuchte sie im vergangenen Jahr, mit ihren insge- samt 80 Unternehmen. Zu den bekanntesten zählen der Belletristikverlag Klett-Cotta, der etwa die "Herr der Ringe"-Bücher publiziert, sowie der von Tilo Knoche ge- führte Bildungsmedienverlag. "Wahrscheinlich sind fast alle Menschen in Deutschland, die auf einer Realschule oder einem Gymnasium waren, im Laufe ihres Lebens mal mit dem Ernst-Klett-Verlag in Berührung gekom- men", sagt Knoche.

Nachhaltigkeit im Erbgut

Die Innofact-Rangliste gibt auch einen guten Über- blick über die Vielfalt des deutschen Mittelstands. Auf den vordersten Plätzen finden sich bekannte Markenna- men wie der Sandalenhersteller Birkenstock (gerade an Finanzinvestoren verkauft, deshalb letztmalig auf der Liste), die Schokoladenfabrik Ritter-Sport, Spieleprodu-

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zent Ravensburger und die Kaffeemarke Dallmayr, son- dern auch Spezialisten wie der fränkische Automobilzu- lieferer Oechsler und die saarländische Bau-Holding Peter Gross Bau. Sie alle eint das strategische Ziel, Profi- tabilität und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen.

Die Berliner Mittelstandsholding MBB beispielswei- se erklärt die ESG-Kritieren für nachhaltige Investments zu einem festen Kern ihres Geschäftsmodells. Die drei Buchstaben stehen für Umwelt (E wie Environment), Soziales (S wie Social) und nachhaltige Unternehmens- führung (G wie Governance). Sie sollen positiv auf die Gesellschaft ausstrahlen. "Das ist bei uns quasi im Erb- gut", sagt MBB-Chef Constantin Mang.

Das deutlichste Zeichen dafür sind die größten drei der bislang insgesamt sieben Beteiligungen des börsen- notierten Unternehmens: Die Delignit AG sieht sich als führender deutscher Anbieter von ökologischen und holzbasierten Werkstoffen für die Auto- und die Bahnin- dustrie. Aumann liefert seit 30 Jahren Spezialmaschinen für Elektroantriebe, insbesondere für Kraftfahrzeuge. Und die Friedrich Vorwerk KG baut Anlagen für den stark wachsenden Markt für Strom- und Wasserstoffan- wendungen.

Ein Garant für langfristigen Erfolg ist die Ökoaus- richtung nicht. Aber die MBB-Führung sieht sich durch die eigene erfolgreiche Firmenhistorie in der Strategie bestätigt. Die Holding wurde 1995 vom ehemaligen Berater Christoph Nesemeier und dem studierten Sozial- ethiker Gert-Maria Freimuth gegründet; die Gründer halten heute noch 65 Prozent der Aktien. MBB über- nimmt mittelständische Unternehmen, deren Inhaber keinen Nachfolger finden. Die Gruppe tut dies nur mit eigenem Geld - und nicht, wie Private Equity-Fonds, mit Fremdkapital aus Krediten, deren Kosten dem übernom- menen Unternehmen aufgebürdet werden und die nach wenigen Jahren getilgt werden müssen.

Diese Arbeitsweise eines Familienunternehmens ergänzen die Berliner durch die Vorteile einer Börsenno- tierung. Sie zwingt das Unternehmen MBB dazu, transparent zu berichten - und unter dem Druck der Investo- ren effizienter zu werden. "Das vereint das beste beider Welten", sagt Mang.

Die Kombination erleichtere es ihm und seinem Team, neue Übernahmeziele zu finden. "Unsere Ge- schäftsberichte zeigen Unternehmern, dass sie uns ihr Lebenswerk und ihre Beschäftigten anvertrauen kön- nen", sagt Mang. Das Prinzip bescherte der Gruppe bis- lang erstaunlichen Erfolg. MBB wuchs in den vergange- nen 20 Jahren von 57 auf 689 Millionen Euro Umsatz und verdiente in 19 Jahren operativ Geld. Zuletzt waren es knapp 50 Millionen Euro Gewinn vor Steuern. Wohl auch deswegen kletterte der Aktienkurs seit 2010 von knapp sieben auf zuletzt gut 120 Euro.

Auch für Klett stehen die Chancen gut, in Zukunft noch gefragt zu sein. Zwar hat der Bund schon 2018 ei- nen Digitalpakt für die Schulen beschlossen; Ernst- Klett-Chef Knoche aber findet:"Es ist nicht einfach, so eine große Bewegung in Gang zu setzen. Deswegen wer- den wir auch noch in vier, fünf Jahren über Digitalisie- rung der Schulen sprechen." Das sei "eine Dauerinvesti-

tion" - die dem Verlag weiter Umsatz bringt.

n

DIE TOP 50

Deutschlands beste mittelgroße Familienunternehmen

Rang

Unternehmen/Gewerbe

Umsatz1

Punkte2

1

Ernst Klett/Fachverlage

874,9

151,60

2

MBB/Technologie

592,1

144,28

3

Birkenstock/Schuhe

721,5

144,13

4

Sennheiser/Elektronik

756,6

141,04

5

Alfred Ritter/Süsswaren

486,6

140,24

6

Alnatura/Biomärkte

903,5

139,79

7

Ravensburger/Spielwaren

524,9

136,92

8

Faber-Castell/Schreibgeräte

555,3

136,53

9

Frosta/Lebensmittel

522,9

135,73

10

Fischerwerke/Befestigungssysteme

842,5

135,56

11

Hipp/Lebensmittel

620,5

132,23

12

Oechsler/Komponenten

475,8

130,29

13

Alois Dallmayr/Lebensmittel

955,6

129,50

14

Peter Gross/Bau

419,1

129,44

15

Krombacher Gruppe/Brauereien

660,1

129,02

16

Knauf Interfer/Stahlgroßhandel

500,4

128,81

17

FlixMobility/Busunternehmen

969,6

128,77

18

RECARO Holding/Sitze

729,4

128,48

19

Teekanne/Tee

262,9

126,83

20

Vector/Software

589,9

126,80

21

GEFO/Reedereien

395,8

126,71

22

KOSATEC Computer/Technikgroßhandel

292,4

126,54

23

Veltins/Brauereien

359,0

126,36

24

Allgeier/IT-Dienstleistungen

784,2

125,61

25

Bauer/Molkereien

691,5

125,46

26

Villeroy & Boch/Porzellan

833,3

125,15

27

Canyon Bicycles/Fahrradhersteller

303,3

124,04

28

Ehrmann/Molkereien

804,0

123,77

29

Horst Brandstätter /Spielwaren

686,8

123,69

(Playmobil)

30

DATAGROUP/IT-Dienstleistungen

306,8

123,09

31

Seeberger/Süßwaren

274,0

122,77

32

Nemetschek/IT-Dienstleistungen

556,9

121,87

33

VERBIO/Biokraftstoffe

873,6

121,61

34

Stiebel Eltron/Heiztechnik

595,3

121,27

35

MAX Automation/Maschinenbau

425,5

121,05

36

Coroplast Fritz Müller/Autozulieferer

532,5

120,11

37

Bahlsen/Süßwaren

543,2

119,97

38

Motel One/Hotelketten

565,0

119,63

39

Orafol Europe/Kunststoffverarbeitung

627,0

119,59

40

Wittenstein Gruppe/Elektrotechnik

426,6

119,25

41

Büromarkt Böttcher/Bürobedarf

418,8

118,75

42

Carl Kühne/Lebensmittel

344,8

118,61

43

Marc O'Polo/Bekleidung

381,8

117,99

44

BHS Corrugated/Maschinenbau

608,7

117,62

45

Haufe Gruppe/Fachverlage

406,9

117,45

46

Jarltech Group/Elektrotechnik

308,3

117,11

47

BRITA/Haushaltswaren

333,9

117,04

48

Materna/IT-Dienstleistungen

323,8

116,98

49

Schwanhäußer/Büroartikel (Stabilo)

662,5

116,97

50

Meggle/Molkereien

922,0

116,92

  • in Millionen Euro, 2 siehe Methoden. Stand 2019; Quelle: Innofact

73

METHODE

Im ersten Schritt aggre-

gierten die Marktfor- scher für Unternehmen mit 250 Millionen bis eine Milliarde Euro Um- satz eine Indexkennzahl zur Geschäftsentwick- lung. Basis waren ver- öffentlichte Daten für 2017-19 und eine Fir- meneinschätzung durch eine wirtschaftsorien- tierte Zielgruppe (per Onlinebefragung). Da- nach bewerteten 1350 Befragte die Firmen in Bezug auf Vertrauen, Qualität, Innovation, Nachhaltigkeit und das Image (als Firma und als Arbeitgeber). Die Ergeb- nisse setzten die Markt- forscher ins Verhältnis zur Geschäftsentwick- lung sowie angemelde- ten Patenten.

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