Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Der Eigentümer von Gucci ist mit einem Marktwert von rund 75 Milliarden US-Dollar wahrlich kein kleiner Fisch. Aber sein Hauptkonkurrent LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton wurde etwa zur gleichen Zeit gegründet und kostet an der Börse heute sechsmal so viel. Eine Möglichkeit für Kering, den Rückstand aufzuholen, ist die Suche nach neuen Marken. Beide Konzerne haben rund drei Jahrzehnte als börsennotierte Unternehmen verbracht. Über weite Strecken der 1990er Jahre war Kering, oder PPR, wie es früher hieß, das wertvollere Unternehmen. Mit dem Kauf einer Beteiligung an Gucci im Jahr 1999 konzentrierte sich der Konzern auf das Luxussegment. Bernard Arnault, der milliardenschwere Gründer von LVMH, widmete sein Augenmerk von Anfang an Designermarken. Und er ging auf Einkaufstour, bei der er mehr als 75 große Marken erwarb, während es bei Kering nur 10 waren. LVMH ist heute das größte Luxusunternehmen der Welt und die wertvollste Aktie Europas.

Obwohl beide Unternehmen während ihrer Zeit am Aktienmarkt im Durchschnitt eine jährliche Gesamtrendite von 17 Prozent erzielten, ist Kering in letzter Zeit zurückgefallen. Seit 2019 hat dessen Anteilsschein 11 Prozent pro Jahr erwirtschaftet - respektabel, aber immer noch ein Drittel dessen, was LVMH erreicht hat. Der Abstand zwischen den Marktkapitalisierungen der beiden Unternehmen ist inzwischen historisch groß. Und der unmittelbare Fokus von Kering liegt aktuell auf der Behebung der Probleme bei Gucci, seiner größten Marke, die 66 Prozent des operativen Gewinns der Gruppe erwirtschaftet. Zuletzt teilte der Konzern mit, dass der Umsatz des italienischen Labels in den drei Monaten bis Dezember im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf Bruchlandung gegangen ist. Vor allem die chinesischen Verbraucher sind der Marke überdrüssig geworden. Dies führte dazu, dass der Gesamtumsatz von Kering um 7 Prozent einbrach - im Gegensatz zu LVMH, das sich im vierten Quartal um 9 Prozent verbesserte.


   Bei Gucci kehren neue Besen 

Gucci hat einen neuen Kreativdirektor eingestellt, der im September seine erste Kollektion vorstellen wird. Kering ist gut darin, Marken zu erneuern, müsste aber den Umsatz von Gucci verdoppeln, um mit der größten Marke von LVMH, Louis Vuitton, gleichzuziehen. Letztere hatte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 20 Milliarden Euro eingefahren. Und die Anleger sind seit Jahren besorgt, dass Kering zu sehr von Gucci abhängig ist. Das dürfte einen der Gründe ausmachen, dass die Aktie mit einem Abschlag von 25 Prozent im Vergleich zu anderen Luxusunternehmen gehandelt wird, gemessen an den erwarteten Gewinnen.

Der schnellste Weg für Kering, sein Produkt-Portfolio auszubalancieren, ist die Aufnahme neuer Marken. Es gab auch Gerüchte, dass Kering einen großen Deal anstrebe. Dazu zählten Berichte im Jahr 2019, wonach das Unternehmen in Übernahmegesprächen mit dem Luxus-Pufferjacken-Label Moncler war. Bislang hat sich das Unternehmen jedoch dafür entschieden, sein bestehendes Portfolio auszubauen, anstatt neue Marken zu kaufen. Während LVMH seit 2010 rund 30 Milliarden Euro für große Luxusdeals ausgegeben hat, waren es bei Kering nur rund 2 Milliarden Euro, wie aus Daten von Factset hervorgeht.

Möglicherweise hält das Unternehmen sein Pulver trocken, in der Hoffnung, dass es in Zukunft zu einer größeren Fusion kommt. Bei Richemont, dem Schweizer Unternehmen, das Cartier und Van Cleef besitzt und von dem 72-jährigen Johann Rupert gegründet wurde, gibt es keine klare Nachfolgeregelung. Der gemeinsame Marktwert der beiden Unternehmen ist immer noch weniger als halb so hoch wie der von LVMH. Nach Ansicht der Analysten von Bernstein Research passen ihre Portfolios jedoch gut zusammen.

Die Expertise von Kering liegt bei Luxushandtaschen und Bekleidungsmarken, die von Richemont bei teuren Schmuckstücken und Uhren. Um mit LVMH gleichzuziehen, geht es nicht darum, einfach nur größer zu werden. Umfangreichere Luxusmarken haben es aber leichter, die besten Immobilien für ihre Läden zu bekommen, die talentiertesten Designer zu engagieren und Werbeverträge auszuhandeln, was alles den Absatz fördert. LVMH hätte leichteres Spiel, seine kleineren Rivalen auszustechen, wenn die Lücke nicht geschlossen würde. Kering sollte in der Lage sein, Gucci wieder auf Kurs zu bringen, aber ein bisschen Shopping würde auch helfen.

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February 15, 2023 10:00 ET (15:00 GMT)