Berlin (Reuters) - Russland könnte nach Einschätzung des Berliner DIW-Instituts nach Polen und Bulgarien auch für Deutschland den Gashahn zudrehen.

"Ein Gas-Lieferstopp seitens Russlands ist auch für Deutschland wahrscheinlicher geworden", erklärte die DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert am Mittwoch. Europa und die Bundesrepublik sollten sich nicht erpressen lassen, sondern auf Vertragseinhaltung bestehen und die Gaslieferungen wie vereinbart bezahlen. Die Bundesregierung müsse sich aber vorbereiten und alles dafür tun, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. "Deutschland muss verstärkt aus anderen Ländern Gas beziehen, im Sommer die Gasspeicher füllen und sich auch durch verstärkte Energieeinsparungen auf den nächsten Winter vorbereiten."

Der russische Gazprom-Konzern hat nach eigenen Angaben im Streit um die geforderte Rubel-Bezahlung Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien eingestellt. Der Energiekonzern Uniper erwartet durch den Gas-Streit zwischen Polen und Russland allerdings keine Einschränkungen für die Lieferungen nach Deutschland. Die Bundesregierung sieht den Lieferstopp für Polen und Bulgarien mit Sorge, nennt den Gas-Fluss nach Deutschland aber derzeit stabil.

DIW-Fachfrau Kemfert sieht einen Gas-Lieferstopp seitens Russlands nach Polen und Bulgarien als nächste Eskalationsstufe des russischen Präsidenten Wladimir Putin, "um Europa in Angst und Panik zu versetzen und die europäischen Staaten dazu zu zwingen, ihre Gasrechnung in Rubel zu begleichen". Dies zeige zudem, wie sehr Russland auf Rubel-Zahlungen angewiesen sei. "Für Deutschland hat dies zunächst einmal keine unmittelbaren Auswirkungen, da die Gaslieferungen nach Deutschland in erster Linie über andere Pipelinerouten getätigt werden", sagte Kemfert. Sie ist Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Mit Engpässen sei derzeit nicht zu rechnen, da Deutschland und Europa ausreichend mit Gas versorgt seien, betonte Kemfert. Polen habe sich auf diese Situation seit langer Zeit vorbereitet und werde in erster Linie durch Flüssiggaslieferungen versorgt. Künftig kämen norwegische Gaslieferungen hinzu. "Bulgarien ist sehr abhängig von russischen Gaslieferungen und wird über den europäischen Verbund Hilfe benötigen." Auch dort sei kurzfristig mit keinen Versorgungsengpässen zu rechnen, da die bulgarische Regierung vorgesorgt habe und die Gasspeicher gefüllt seien.