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Research Briefing

Emerging markets



5. Januar 2016

Deutsche Unternehmen in Lateinamerika

Eine Bestandsaufnahme




Autor

Magdalena Forster

+49 69 910-30664

magdalena.forster@db.com


Editor

Maria Laura Lanzeni

Deutsche Bank AG Deutsch Bank Research Frankfurt am Main

Deutschland

E-Mail: marketing.dbr@db.com

Fax: +49 69 910-31877

www.dbresearch.de

DB Research Management

Ralf Hoffmann

Originalveröffentlichung in englischer Sprache:

23. November 2015.

Deutsche Unternehmen investieren im Ausland zunehmend in Emerging Markets. Verbesserte makroökonomische Rahmenbedingungen und über- durchschnittliche Wachstumsperspektiven waren die Hauptgründe für die zunehmende Bedeutung der Emerging Markets in den ausländischen Direktinvestitionen (ADI) deutscher Unternehmen in den letzten Jahren.

Lateinamerika hat einen relativ stabilen Anteil von annähernd 5% an diesen Investitionen, was etwa EUR 42 Mrd. entspricht. Die Verschlechterung der Wachstumsaussichten in einigen lateinamerikanischen Ländern könnte jedoch negative Auswirkungen für die deutschen Direktinvestitionen in der Region haben.

Die deutschen Investitionen in Lateinamerika konzentrieren sich hauptsächlich auf die verarbeitende Industrie. Drei Viertel der deutschen ADI entfallen auf Brasilien, Mexiko und Argentinien (Grafik 1). Die Investitionen sind zum Großteil auf die verarbeitende Industrie dieser Länder fokussiert, insbesondere im Auto- mobilbereich (ein Drittel des Bestandes). Die Produktion für den lokalen Markt besetzt den ersten Platz auf der Liste der deutschen Investitionsmotive, wenn auch z.T. durch Importbarrieren und Wechselkursrisiken veranlasst.

Die Länder Lateinamerikas müssen ihr Geschäftsumfeld verbessern, um ein attraktiver Standort für deutsche (und andere) Investoren zu bleiben.

Entscheidend sind Reformen zur Reduzierung der Bürokratie und Bekämpfung der Korruption, zur Erhöhung der Rechtssicherheit und Erleichterung des internationalen Handels.


Brasilien und Mexiko sind Spitzenreiter bei deutschen Auslandsinvestitionen 1

Deutscher ADI-Bestand in Lateinamerika, EUR Mrd., 2013

Rest

gesamt: EUR 41,9 Mrd.


PE 0,5

1%

PA

UY 0,4

1%

1,3

3%

BR

19,4

46%


Länderschlüssel AR: Argentinien

0,6

BM: Bermuda

1%


CO 1,5

3%

BM 1,3

3%


VE 1,6

4%


CL 1,9

5%


KY 2,1

5%


AR 2,4

6%


MX 9,0

22%

BR: Brasilien CL: Chile

CO: Kolumbien

KY: Cayman Islands MX: Mexiko

PA: Panama PE: Peru UY: Uruguay

VE: Venezuela


Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research



Anteil deutscher ADI in Emerging

Markets ist gestiegen 2

Anteil am gesamten deutschen ADI-Bestand, %


8 90

786

6

582

4 78

374

2

170

0 66

03 04 05 06 07 08 09 10* 11 12 13


Lateinamerika (links)

Asiatische Schwellenländer (links) Andere europäische Länder** (rechts) Afrika und Mittlerer Osten (links) USA, EU & Schweiz (rechts)

* Bruch in der Serie aufgrund neuer Bundesbank-Methode zur Berechnung von Direktinvestitionen

** beinhaltet Russland & die Türkei


Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research


Lateinamerika macht 5% der

deutschen ADI aus 3


EUR Mrd. und % der deutschen ADI, 2013


Schwellenländer zunehmend wichtig für deutsche ADI


Ausländische Direktinvestitionen sind eine stabilere Anlageform als Portfolio- investitionen oder die Kreditvergabe. Für Emerging Markets im Besonderen ist diese Form der Investition weniger abhängig von internationalen "push"- Faktoren, wie z.B. dem Zinsniveau der Industrienationen, und richtet sich mehr nach inländischen "pull"-Faktoren wie Indikatoren zum Länderrisiko und dem Produktionswachstum.1 Damit zählten höhere BIP-Prognosen und bessere makroökonomische Fundamentaldaten zu den Faktoren, die die deutschen ADI im letzten Jahrzehnt zunehmend in Schwellenländer lenkten. Zugegebener- maßen bleiben die Industrienationen die wichtigsten Standorte für deutsche ADI

- die USA, die EU und die Schweiz machten 2013 74% der deutschen Auslandsinvestitionen aus. Dieser Anteil befindet sich jedoch im Abwärtstrend, während der Anteil der deutschen ADI in den Schwellenländern zunimmt (Grafik 2).2


Lateinamerika bleibt trotz Chinas Aufstieg ein stabiles Ziel für deutsche ADI


Der deutsche Bestand an ausländischen Direktinvestitionen in Lateinamerika erreichte 2012 mit EUR 45 Mrd. seinen Höhepunkt, bevor er sich 2013 auf EUR 42 Mrd. verringerte (letzter verfügbarer Datenpunkt). Der Rückgang war jedoch auf Bewertungsveränderungen (Aktienmarktbewertungen oder Währungsschwankungen) zurückzuführen.3 Lateinamerikas Anteil an den gesamten deutschen ADI betrug 4,6% (Grafik 3). In den 90er Jahren hatte


47,8

5%


22,0

2%

50,3

5%

41,9

5%

13,6

2%

62,4

7%


681,0

74%

Lateinamerika eine viel wichtigere Rolle in den ausländischen Direktinvestitionen deutscher Unternehmen gespielt. Der Anteil betrug 1994 7,4% der gesamten ADI, verringerte sich jedoch drastisch, nachdem ein großer Teil der Region zur Jahrhundertwende von Wirtschaftskrisen erfasst worden war. Später verhinderten die EU-Erweiterung und der Aufstieg Chinas, dass der Anteil wieder auf frühere Niveaus stieg. Im Jahr 2013 überstieg Chinas Anteil an den deutschen ADI-Beständen den Anteil Lateinamerikas zum ersten Mal.

Lateinamerika hat an konjunktureller Dynamik verloren. Nach einem Jahrzehnt hohen realen BIP-Wachstums, das durch den Rohstoffboom getrieben war, wuchsen die lateinamerikanischen Volkswirtschaften langsamer oder

USA, EU & Schweiz

Andere europäische Länder (ex. EU) Schwellenländer Asiens

China Lateinamerika

Afrika & Mittlerer Osten Rest der Welt

Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research

schrumpften sogar. Der starke Rückgang der Rohstoffpreise, verstärkt durch länderspezifische Probleme, dürfte das Wachstum der Region im Zeitraum von 2016-2020 auf ca. 2% beschränken. Die Verlangsamung und Neujustierung des chinesischen Wachstums sowie die Erwartung einer Zinserhöhung in den USA waren gleichzeitig Gegenwind für das Wachstum Lateinamerikas (Grafik 4).


1 s. Koepke (2015).

2 2010 gibt es einen Bruch in der Zeitreihe, da die Bundesbank nachträglich die Methodik zur Berechnung der ADI im Jahr 2015 geändert hat, damit sie mit der neuen OECD-Benchmark- Definition der ausländischen Direktinvestitionen übereinstimmt. S. Deutsche Bundesbank (2015a).

3 Die Währungen der Länder, die wir in dieser Analyse berücksichtigen, werteten sich 2013 stark gegenüber dem Euro ab, z.B. um 14% im Falle Brasiliens und um 24% im Falle Argentiniens.


Lateinamerikas Wachstumsschwäche 4

Reales BIP, % gg. Vj.


12

10

8

6

4

2

0

-2

-4

00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Lateinamerika & Karibik Asiatische Schwellenländer

Europäische Schwellenländer Mittlerer Osten & Nordafrika Subsahara-Afrika


Quellen: IWF, Deutsche Bank Research


Deutsche ADI nach Komponenten 5


Deutsche ADI-Zuflüsse nach Lateinamerika, in EUR Mrd.


6

5

4

3

2

1

0

-1

-2

2011 2012 2013 2014


Neuanlage von Beteiligungskapital Liquidation von Beteiligungskapital Reinvestierte Gewinne Direktinvestitionskredite

Übrige Anlagen

Deutsche Direktinvestitionen, gesamt


ADI-Zuflüsse blieben 2014 positiv


2014 blieben die deutschen Investitionsflüsse nach Lateinamerika positiv (Grafik 5), verlangsamten sich jedoch in Übereinstimmung mit der allgemeinen Entwick- lung von ADI-Zuflüssen in die Region in diesem Jahr deutlich (Textbox 6). Der Rückgang war hauptsächlich auf den praktischen Stillstand konzerninterner Darlehen von deutschen Muttergesellschaften (Direktinvestitionskredite) zurück- zuführen, während Neuinvestitionen und reinvestierte Gewinne relativ stabil blieben. Unter den größeren deutschen ADI-Standorten verzeichneten zwei Länder negative ADI-Zuflüsse, Chile und Venezuela (Grafik 7). Dies war im Falle Chiles ausschließlich auf die Trendumkehr von Direktinvestitionskrediten zurückzuführen und hob sich vom allgemeinen Trend in Chile ab, wo die ADI- Zuflüsse einen Anstieg von 14% gegenüber dem Vorjahr aufwiesen. Für Venezuela spiegelte es auch die Nettoliquidation bestehender ausländischer Direktinvestitionen wider (in Venezuela fielen die gesamten ADI-Zuflüsse 2014

um 88% gg. Vj.).4 In Brasilien und Mexiko stieg 2014 jedoch das Volumen

deutscher Auslandsinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr.


Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research

Ausländische Direktinvestitionen in Lateinamerika 2014

6

Brasilien, Mexiko sind beliebte Ziele 7


Deutsche ADI-Zuflüsse, EUR Mrd. 5

4


3


2


1


0


-1

2011 2012 2013 2014


BR MX

AR CL

CO UY

VE Rest Lat.-Am.

Lateinamerika


Die gesamten ADI-Zuflüsse nach Lateinamerika haben sich 2014 um 16% auf USD 159 Mrd. verringert, nachdem 2013 ein Rekordniveau von USD 188 Mrd. erreicht worden war. Die UN- Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) erwartet einen weiteren Rückgang von 10% im letzen Jahr. Sie führt die Verlangsamung der Zuflüsse im Wesentlichen auf die Reduzierung neuer Projekte im Bergbau sowie im Kohlenwasserstoffsektor zurück, da die Rohstoffpreise, die mit diesen Aktivitäten in Verbindung stehen, stark gefallen sind und sich möglicherweise nicht rasch erholen. In der Tat ist der Anteil rohstoffbezogener ADI-Zuflüsse 2014 auf 17% der Gesamtzuflüsse zurückgegangen (von einem Durchschnitt von 24% im Zeitraum 2009-2013). ADI-Zuflüsse in die verarbeitende Industrie hatten einen Anteil von 36% an den gesamten ADI, während knapp die Hälfte der ADI-Zuflüsse im Dienstleistungssektor verzeichnet wurden. Die größten Empfänger von ADI-Zuflüssen waren 2014 Brasilien (39%), Mexiko (14%), Chile (14%), Kolumbien (10%), Peru (5%) und Argentinien (4%). Die Niederlande (und in geringerem Maße Luxemburg) waren mit 20% im Jahr 2014 das größte Investorenland, sie machten allein 29% der ADI-Zuflüsse nach Brasilien aus. Die USA blieben ebenfalls ein großer Investor (17%), besonders in Mexiko und Mittelamerika, wo es annähernd ein Drittel der gesamten ADI-Zuflüsse ausmachte. Spanien nahm mit einem Anteil von 10% an den gesamten Zuflüssen nach Lateinamerika den dritten Rang ein. Deutschlands Anteil lag 2014 unter 2% der gesamten ADI-Zuflüsse nach Lateinamerika.


Quellen: ECLAC (2015) und Deutsche Bank Research.


Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research

4 s. ECLAC (2015), S. 10.


Brasilien und Mexiko wichtigste ADI-Empfängerländer


Deutsche ADI: 1.900 Unternehmen be- schäftigen eine halbe Million Mitarbeiter 8

Anzahl der Unternehmen/Mitarbeiter, 2013

Der größte Bestand deutscher ADI in Lateinamerika befindet sich in Brasilien (46%) und Mexiko (22%), was auf die Größe und die diversifizierte wirtschaftliche Basis dieser beiden Länder zurückzuführen ist (Grafik 1 auf S. 1). Verglichen mit den gesamten ADI in der Region sind deutsche Unternehmen in

700

600

500

400

300

200

100

0


166

619


22


183

97


436


85

24


57 47

34

300


250


200


150


100


50


0

Brasilien "übergewichtet" (46% des deutschen ADI-Bestandes gegenüber 39% des gesamten ADI-Bestandes in Lateinamerika) und "untergewichtet" in Chile, Kolumbien und Peru.5


Deutsche Investitionen unterstützen die verarbeitende Industrie, insbesondere den Automobilsektor


2013 sorgten insgesamt 1.900 Unternehmen mit deutscher Beteiligung für

AR BM BR KY CL CO MX PA PE UY VE

Zahl der Unternehmen (links) Zahl der Mitarbeiter, '000 (rechts)


Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research


Deutsche ADI: Vorwiegend im

Automobilsektor 9


Verteilung der deutschen ADI in AR, BR and MX; 2013


14%


32%


33%

9%


12%


Herstellung von chemischen Erzeugnissen Herstellung von Kfz/Autoteilen

Handel; Instandhaltung/Reparatur von Kfz Finanz- und Versicherungsdiensleistungen Andere

Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research

500.000 Arbeitsplätze in der Region.6 Die Hälfte dieser Arbeitsplätze befanden sich in Brasilien (Grafik 8). Der größte Anteil der deutschen Investitionsbestände entfällt auf die Automobilproduktion und die Produktion von Autoteilen - dieser Sektor macht 40% der deutschen Investitionen in Mexiko aus, 31% in Brasilien und 21% in Argentinien. Mit der Automobilindustrie verbundene Dienst- leistungen und Handelsaktivitäten machen weitere 12% der Kapitalanlagen aus. Der zweitwichtigste Sektor ist der Chemiesektor. Insgesamt entfallen ca. drei Viertel der deutschen Kapitalanlagen in den drei Ländern zusammengenommen (Grafik 9) auf die verarbeitende Industrie. Dagegen spielen Öl und Bergbau nur eine geringe Rolle bei den deutschen Auslandsinvestitionen. In Brasilien waren die Autoproduzenten im letzten Jahr von Umsatzeinbußen betroffen. Trotzdem bleibt Brasilien einer der größten Automärkte der Welt, und einige Produzenten

erwarten ein solides Wachstum, besonders im Premiumsegment.7 Während VW

seit mehr als sechs Jahrzenten in Brasilien präsent ist, begann BMW erst 2014 mit einer neuen Fertigungsstätte. Mercedes-Benz begann 2015 ebenfalls mit der Errichtung einer Produktionsanlage. Audi plant, von der zweiten Jahres- hälfte 2016 an Autos in Mexiko zu produzieren. Der Autohersteller hat sogar ein Ausbildungszentrum am Produktionsbetrieb in San Jose Chiapa eröffnet, um das Personal (und möglicherweise Lieferanten) auf die Spitzentechnologie der Produktionsanlage vorzubereiten.8 Den Autoproduzenten folgten Hersteller von Autoteilen und Dienstleister der Automobilbranche, wie z.B. Continental AG in Ecuador (Reifen), Dekra SE in Brasilien (Fahrzeuginspektion und -zertifizierung) oder die Bosch GmbH in Brasilien (Automobiltechnik). Zu den anderen Sektoren, die im letzten Jahrzehnt umfangreiche deutsche Investitionen und M&A-Transaktionen in Lateinamerika verzeichneten, zählen Chemie, Pharma

und Gesundheitswesen, Versorgung, Verkehr und Infrastruktur sowie das Versicherungswesen.9


5 s. ECLAC (2015), S. 60, Tabelle I.A.5.

6 s. Deutsche Bundesbank (2015b).

7 s. Deutsch-Brasilianische Industrie- und Handelskammer (2014), S. 45

8 s. ECLAC (2015), S. 28.

9 Thomson Reuters und Bloomberg M&A-Daten.

Deutsche Bank AG issued this content on 2016-01-04 and is solely responsible for the information contained herein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 2016-01-05 14:00:02 UTC

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