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BRÜSSEL (dpa-AFX) - Als Konsequenz aus dem VW -Abgas-Skandal will die EU-Kommission das europäische Aufsichtssystem umkrempeln. "Wir müssen sicherstellen, dass das nie wieder passiert", sagte Kommissionsvize Jyrki Katainen am Mittwoch in Brüssel. Derzeit ist die Aufsicht allein Sache nationaler Behörden. Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska sagte, nach den derzeit geltenden Regeln "haben wir nicht einmal das Recht, einen Mitgliedstaat auch nur zu fragen, was los ist". Dies solle sich nun ändern.

Brüssel verlangt dabei auch das Recht, betrügerischen Autoherstellern saftige Bußgelder aufzubrummen, falls nationale Behörden nicht handeln. Der Einsatz von manipulativer Abgas-Software wie bei VW oder falsche Angaben sollen mit bis zu 30 000 Euro pro Fahrzeug zu Buche schlagen.

Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten: Die Vorschläge benötigen die Zustimmung des Europaparlaments und der nationalen Regierungen. Für die Kontrolle der Autobauer sind derzeit in der Europäischen Union allein nationale Behörden wie das deutsche Kraftfahrtbundesamt zuständig. Die zuständigen Stellen erkennen die Entscheidungen etwa zur Zulassung neuer Wagentypen gegenseitig an.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigte sich im "Handelsblatt" aufgeschlossen gegenüber den Vorschlägen. "Wir brauchen in Europa eine gleiche Anwendung von optimierten Typgenehmigungsregeln", sagte er - warnte aber zugleich vor der Schaffung einer neuen europäischen Behörde. Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) zeigte sich in einer ersten Reaktion grundsätzlich "offen für Neuerungen bei der Typgenehmigung".

Zudem sollen künftig Autos schärfer kontrolliert werden, die bereits auf dem Markt sind. Derzeit finden solche Prüfungen vor allem vor der Zulassung statt.

Die EU-Kommission will auch die Unabhängigkeit der technischen Prüfdienste wie TÜV oder Dekra stärken, die untersuchen, ob Autos Abgasgrenzwerte und andere Vorschriften einhalten. In den meisten EU-Staaten werden diese Dienste laut EU-Kommission direkt von den Herstellern bezahlt - dieser Praxis und daraus resultierenden Interessenkonflikten soll ein Riegel vorgeschoben werden, indem das Geld künftig über einen gemeinsamen Fonds fließen soll.

Prüfdienste, die nach ihrer Einschätzung zu nachsichtig sind mit den Herstellern, will die EU-Kommission von Tests ausschließen können. Wer Autos auf den Markt lässt, die den Regeln nicht entsprechen, müsste Bußgelder der Brüsseler Behörde fürchten.

Die Umweltorganisation Transport and Environment (T&E) begrüßte die geplanten Auflagen für Testdienste. Greg Archer von T&E schränkte aber ein: "Dieser gute Vorschlag adressiert viele Fehler im derzeitigen Auto-Testsystem, aber ihm fehlt der Biss." Der Verband vermisse insbesondere eine stärkere Überwachung der nationalen Aufsichtsbehörden, etwa des deutschen Kraftfahrt-Bundesamts (KBA).

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte jüngst eine Klage gegen das KBA eingereicht. Sie möchte unter anderem Einsicht in die Rückruf-Anordnung im Fall VW erhalten. Das KBA hatte im Oktober einen amtlichen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet. Die DUH kritisierte, mehr als drei Monate später seien die Details der Aktion noch nicht offengelegt. Ein Sprecher des KBA entgegnete, die DUH habe schon viele Informationen erhalten.

Betrügerische Software, wie sie VW zur Schönung seiner Diesel-Abgaswerte einsetzte, ist bereits in Europa verboten. Um das durchzusetzen, will die EU-Kommission künftig auch die Software von Autos genau unter die Lupe nehmen können. Der VDA mahnte: "Bei Vorschlägen, die wettbewerbsrelevante Bereiche betreffen, wie die Offenlegung von Software, muss eine streng vertrauliche Behandlung der Daten sichergestellt sein."/hrz/gyd/DP/jha