DGAP-Media / 2021-02-11 / 08:00
Sechs kühne Kunstmarkt-Prognosen für 2021
Artnets Sophie Neuendorf über die Folgen der Digitalisierung und die Rückbesinnung auf Qualität
Berlin/New York, 11. Februar 2021: Die Kunstwelt hat das wohl schwierigste Jahr der jüngeren Geschichte hinter sich.
Die Corona-Pandemie sorgte 2020 für einen deutlichen Abschwung von Weltwirtschaft und Auktionsmarkt. Angesichts von
Ausgangsbeschränkungen und abgesagten Kunstauktionen gingen die weltweiten Verkaufserlöse für bildende Kunst nach
Angaben der Artnet Price Database gegenüber dem Vorjahr um fast ein Viertel auf 9,9 Milliarden USD zurück. Die
Coronakrise katapultierte die Kunstwelt aber auch ins digitale Zeitalter. Vor diesem Hintergrund wagt die bei Artnet
für strategische Partnerschaften verantwortliche Kunstmarktexpertin Sophie Neuendorf sechs Prognosen für die Kunstwelt
im Jahr 2021.
1. Die Digitalisierung des Kunstmarktes ist von Dauer.
Plato hatte Recht: Not macht erfinderisch. Die Digitalisierung erlebte während der Coronakrise einen enormen Aufschwung
und hat viele Bereiche des Kunstgeschäfts verändert und verbessert - vom Online-Kundenservice über Telearbeit bis hin
zum Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Galerien, Museen und Auktionshäuser stellten ihr
Geschäft auf das Internet um. Bisherige Eintrittsbarrieren in der Kunstbranche fielen so schneller als erwartet, das
Geschäft wurde wirtschaftlicher und transparenter. Dies geht Hand in Hand mit dem globalen Trend zu Nachhaltigkeit und
bewusstem Leben. Der reine Online-Handel von Kunstwerken wird nun zu einer starken Konkurrenz für den traditionellen
Kauf oder Verkauf über Galerien oder Auktionshäuser, was den Kunstmarkt demokratisieren und für eine neue Generation
von Kunstliebhabern öffnen wird.
2. Nachwuchskünstler verkaufen ihre Werke direkt über das Internet.
Zahlreiche junge Künstler in Asien umgehen Galerien und verkaufen ihre Werke direkt über das Internet. Diese Praxis
wird sich auch in Europa etablieren. Da im vergangenen Jahr leider sehr viele Galerien pandemiebedingt schließen
mussten, dürften sich gerade Nachwuchskünstler zunehmend an den Verkauf über soziale Medien und andere
Online-Plattformen gewöhnt haben.
3. Der Kunstmarkt besinnt sich verstärkt auf Qualität.
Das vergangene Jahr hat uns alle dazu gezwungen, uns auf die wichtigen Fragen in unserem Leben zu konzentrieren. Wie
wollen wir unsere Zeit nutzen? Müssen wir wirklich alle Kunstmessen und Veranstaltungen besuchen? Wir bewegen uns auf
eine "neue Normalität" zu, in der Wiederholungen von Messen oder Galerieausstellungen unnötig werden - und stattdessen
durch ein wunderbares und leicht zugängliches Online-Angebot ergänzt werden. Es ist jetzt an der Zeit, mit Qualität,
Tiefe und Innovation zu begeistern. Denn Zeit ist kostbar.
4. Der Auktionsmarkt für bildende Kunst wird sich erholen.
Der generell schwankungsanfällige Weltmarkt für Kunstauktionen wird sich 2021 angesichts des erwarteten
Konjunkturaufschwungs in den Industrieländern wieder kräftig erholen. Da bildende Kunst zu einer ernstzunehmenden
Anlageklasse geworden ist, werden Käufer die im vergangenen Jahr wegen der Pandemie gefallenen Preise nutzen, um
Kunstwerke günstig zu erwerben und auf steigende Preise zu spekulieren.
5. Kunstmessen werden in einer hybriden Form teils online, teils offline stattfinden.
Da "Social Distancing" immer noch überlebensnotwendig ist, werden Kunstmessen kaum die nötige Menge kunstinteressierter
Besucher anziehen. Galerien werden nach einem schwierigen Jahr zudem vor den hohen Teilnahmekosten zurückschrecken.
Daher wird es 2021 insgesamt nur sehr wenige Messen geben. Diejenigen von uns, die in der Lage sind zu reisen, können
sich bestenfalls auf den Besuch der ARCO Madrid (die auf Juli verschoben wurde), der Art Basel, der VOLTA Basel, der
Frieze London, der FIAC in Paris und der Art Basel Miami Beach freuen. Der Rest von uns muss die virtuellen Ausgaben
dieser Messen genießen.
6. Galerien werden zu ernsthaften Konkurrenten von Kunstmessen und Auktionshäusern.
Galeristen waren schon immer von größter Bedeutung als Bindeglied zwischen Künstlern und dem breiten Publikum der
Kunstliebhaber und Sammler. In diesem Jahr werden die Umsätze von Galerien, die sich die pandemiebedingt notwendig
gewordene digitale Innovation zu eigen gemacht haben, stärker wachsen als je zuvor. Mit Online-Auktionen und
Vernissagen im Internet oder durch Kooperationen mit anderen Galerien und Institutionen werden diese Kunsthändler zu
ernsthaften Konkurrenten traditioneller Auktionshäuser.
Sophie Neuendorf ist Vice President, Strategic Partnerships, bei Artnet und schreibt als Autorin für die
Kunstpublikation Artnet News sowie das Magazin LUX.
Über Artnet
Artnet ist die führende Ressource für den Kauf, Verkauf und die Recherche von Kunst im Internet. Gegründet im Jahr
1989, bietet Artnet branchenführende Produkte, die die Art und Weise, wie Menschen heute Kunst sammeln, revolutioniert
haben. Die Price Database enthält mehr als 14 Millionen Auktionsergebnisse von 1.900 Auktionshäusern, die bis ins Jahr
1985 zurückreichen, und bietet damit ein beispielloses Maß an Transparenz auf dem Kunstmarkt. Die Plattform Gallery
Network verbindet führende Galerien mit Sammlern aus der ganzen Welt und bietet den umfassendsten Überblick über zum
Verkauf stehende Kunstwerke. Artnet Auctions war der erste reine Online-Marktplatz für Kunstwerke und bietet Käufern
und Verkäufern ein nahtloses und effizientes Sammelerlebnis. Artnet News berichtet mit aktuellen Analysen und
Expertenkommentaren über die Ereignisse, Trends und Menschen, die den globalen Kunstmarkt prägen.
Die Artnet AG ist im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet, dem Segment mit den höchsten
Transparenzstandards.
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February 11, 2021 02:00 ET (07:00 GMT)