WIEN (dpa-AFX) - Der Argentinier Rafael Grossi wird neuer Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Der 58-Jährige erhielt am Dienstag die benötigte Zweidrittelmehrheit im IAEA-Gouverneursrat und setzte sich damit gegen den kommissarischen Chef Cornel Feruta aus Rumänien durch. Grossi folgt dem Japaner Yukiya Amano nach, der im Juli im Alter von 72 Jahren gestorben war. Amano leitete die IAEA knapp zehn Jahre.

Die Atomenergiebehörde mit Sitz in Wien spielt weltweit eine entscheidende Rolle bei der Überwachung der friedlichen Nutzung der Kernenergie. So überprüft die IAEA seit 2016 mit strengen Kontrollen die Einhaltung der Auflagen des Atomabkommens mit dem Iran.

Grossi war von 2010 bis 2013 Kabinettschef der IAEA unter Amano und zuletzt Botschafter Argentiniens in Österreich sowie bei den Vereinten Nationen in Wien. Der 58-Jährige gilt als sehr ambitioniert. Schon länger wurde ihm nachgesagt, dass er den Chefposten bei der IAEA anstrebe. Diese Ambitionen sollen auch zu Spannungen mit Amano geführt haben, aufgrund derer Grossi 2013 seinen Job bei der Atomenergiebehörde aufgab. Nach dem Tod Amanos bewarb er sich als erster um den Posten des Generaldirektors.

Nach seiner Wahl sagte Grossi, dass sein Ansatz für die Kontrollmissionen der IAEA von Entschlossenheit und Fairness geprägt sei. "Ich denke, es ist wichtig, dass die Mitgliedsstaaten und die internationale Gemeinschaft die Garantie haben, dass ich absolut unabhängig und unempfindlich für Druck bin", sagte Grossi. Mit den Medien wolle er eng zusammenarbeiten. Sein Vorgänger Amano war immer wieder dafür kritisiert worden, dass die IAEA unter ihm nur zurückhaltend Informationen an die Öffentlichkeit gab.

Der Argentinier hatte schon vor der Abstimmung angekündigt, dass er die IAEA "nachkalibrieren" wolle, um Themen wie die nukleare Sicherheit stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

Der studierte Politikwissenschaftler Grossi arbeitet seit 1984 für den Auswärtigen Dienst seines Heimatlandes. Zunächst wurde er beauftragt, das lange geheimgehaltene Atomprogramm der gerade gestürzten argentinischen Militärdiktatur zu untersuchen. "Mir wurden die Grundlagen des nuklearen Ingenieurwesens beigebracht, ich habe alle Anlagen besucht und angefangen, in diesem Bereich zu arbeiten. Und ich habe nie damit aufgehört", sagte Grossi im August der dpa.

In den folgenden Jahren nahm Grossi in Genf an den Verhandlungen zur Chemiewaffenkonvention und dem Kernwaffenteststopp-Vertrag teil. 2002 wurde er Kabinettschef bei der Organisation für das Verbot chemischer Waffen mit Sitz in Den Haag, anschließend folgte das Engagement bei der IAEA./nif/DP/fba