(neu: weitere Details und Reaktionen, Kurse aktualisiert)

HERZOGENAURACH/REGENSBURG (dpa-AFX) - Der Autozulieferer Schaeffler will mit der Übernahme der früheren Conti-Antriebssparte Vitesco einen großen Anbieter für Elektromobilität formen. Schaeffler bietet den Vitesco-Aktionären 91 Euro je Papier in bar, um die Firmen letztlich zu fusionieren, wie die Herzogenauracher am Montag mitteilten. Die Schaeffler-Familie hält bereits knapp 50 Prozent an Vitesco. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg über entsprechende Pläne der Schaefflers berichtet - spekuliert worden war darüber schon länger. Der Kurs der Vitesco-Aktie zog stark an, für die Schaeffler-Papiere ging es abwärts.

Die Vitesco-Aktie gewann nach den Neuigkeiten ein Fünftel auf 90,60 Euro. Vor dem Wochenende hatte sie bei 75,35 Euro geschlossen; der Angebotspreis wäre demnach ein Aufschlag von knapp 21 Prozent. Der Kurs der seit Kurzem im MDax notierten Vitesco-Aktie hatte in diesem Jahr bis zuletzt bereits um knapp 40 Prozent zugelegt. Das Regensburger Unternehmen wurde damit mit etwas mehr als drei Milliarden Euro bewertet. Die Offerte von Schaeffler bewertet Vitesco nun mit rund 3,6 Milliarden Euro. Eine Mindestannahmeschwelle gibt es nicht.

Das im SDax gelistete Unternehmen Schaeffler hat sich nach eigenen Angaben ein umfangreiches Finanzierungspaket arrangiert, das eine Brückenfinanzierung für das Erwerbsangebot einschließt. Dies sei für Schaeffler gut zu stemmen, da der Schaeffler-Familie bereits knapp die Hälfte der Anteile besitze, sagte Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld in einer Pressekonferenz. Kartellrechtliche Freigaben seien in der EU, den USA und China nicht mehr nötig, nur noch in einigen kleineren Ländern. So könne der Deal schnell durchgezogen werden. Rosenfeld rechnet mit dem Erwerbsangebot von Mitte November bis Mitte Dezember. Im vierten Quartal 2024 soll dann die Verschmelzung erfolgen.

In einem Interview bei Bloomberg machte Rosenfeld deutlich, dass das Unterfangen bis zu rund 1,8 Milliarden Euro an Finanzierung benötige und er erst in einem Jahr wieder mit einem sinkenden Schuldenstand rechnet. 2025 soll der Verschuldungsgrad nach der Transaktion unter das 1,5-Fache des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen fallen.

Die Schaeffler-Vorzugsaktien rutschten am Montag zwischenzeitlich deutlich auf den tiefsten Stand seit Oktober 2022 ab, zuletzt notierten sie 4,5 Prozent niedriger bei 5,21 Euro.

JPMorgan-Analyst Akshat Kacker verwies darauf, dass eine solche Übernahme seit langem ein Thema unter Investoren war - und sie habe in seinen Augen eine starke strategische Logik, fügte er an.

Vitesco teilte mit, Vorstand und Aufsichtsrat würden "alle Informationen sorgfältig prüfen und über die nächsten Schritte entscheiden". Die IG Metall Bayern machte ihren Wunsch nach einer "einvernehmlichen Lösung" deutlich. "Unser vorrangiges Ziel ist es, dass die Standorte beider Unternehmen in ihrer Stärke erhalten bleiben und keine Arbeitsplätze abgebaut werden", sagte Landesbezirkschef Horst Ott. Die IG Metall halte aus Sicht von Schaeffler die strategische Ausrichtung zur Verschmelzung mit Vitesco für sinnvoll.

Insbesondere im Bereich der E-Mobilität verfügten Schaeffler und Vitesco über ein zusammenpassendes Technologieportfolio, hieß es. Auf diesem Gebiet will Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld die Wachstumschancen nutzen. Gemeinsam kommen die Unternehmen auf rund 25 Milliarden Euro Umsatz und 120 000 Mitarbeitende. Vitesco macht derzeit noch den Löwenanteil des Geschäfts mit Verbrennerkomponenten - hat jedoch zuletzt vor allem Aufträge für die Elektroantriebssparte eingesammelt.

Schaeffler tut sich mit dem Umschwung hin zu Elektroautos noch schwer. Rosenfeld betonte, mit Ersatzteilen und Service werde das Unternehmen auch im Verbrennerbereich noch einige Zeit Geld verdienen. Das herkömmliche Zuliefergeschäft für Verbrennungsmotoren könne man zwar nicht mehr als Wachstumsgeschäft bezeichnen - mit dem Geld daraus finanziere man aber den Aufbau der Elektromobilität.

Der Zusammenschluss der Firmen soll jährlich vor Zinsen und Steuern Kosteneinsparungen von 600 Millionen Euro bringen. Schaeffler will diese bis 2029 erreichen. Dazu würden einmalige Integrationskosten von bis zu 665 Millionen Euro erwartet, hieß es weiter. Vitesco war erst 2021 von der ehemaligen Konzernmutter Continental abgespalten worden. An Conti besitzt die Schaeffler-Familie seit einem missglückten Übernahmeversuch in der Finanzkrise 2008 rund 46 Prozent.

Das Übernahmeangebot soll der erste Schritt auf dem Weg zu einer Fusion sein. Nach Durchführung des Erwerbsangebots plant Schaeffler, Vitesco rechtlich auf Schaeffler zu verschmelzen. Ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag ist demnach nicht geplant.

Schaeffler will zudem im Zusammenhang mit der angestrebten Fusion seine Vorzugsaktien im Verhältnis eins zu eins in Stammpapiere mit Stimmrecht umwandeln. Die Aktionäre müssen dem in einer außerordentlichen Hauptversammlung zustimmen. Bisher hält die Familie die Stammpapiere des Wälzlagerherstellers komplett, von den stimmrechtslosen Vorzügen befinden sich drei Viertel im Streubesitz. An dem neuformierten Schaeffler-Konzern inklusive Vitesco würde die Familie rund 70 Prozent der Anteile besitzen, 30 Prozent würden sich dann im Streubesitz befinden./men/dm/rol/stw/ngu