Berlin (Reuters) - Die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr gestiegen.

Das geht aus den Fallzahlen für die Politisch Motivierte Kriminalität 2023 hervor, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, am Dienstag in Berlin vorstellten. Mit 28.945 Taten wurden dabei erneut am meisten rechtsextremistisch motivierte Fälle gezählt, was einer Zunahme von gut 23 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022 entsprach. Insgesamt wurden demnach auch mehr Gewaltdelikte registriert.

"Das sind Taten, die sich gegen unsere offene und freiheitliche Gesellschaft richten", sagte Faeser. "Diejenigen, die in unserer Gesellschaft Wut und Hass sähen, sind lauter geworden." Durch rechtsextreme Gewalt seien im vergangenen Jahr 714 Verletzte zu beklagen gewesen. "In keinem anderen Bereich ist die Opferzahl so hoch", sagte Faeser. Der Rechtsextremismus sei und bleibe damit die größte Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, betonte auch BKA-Präsident Münch.

Das größte Plus wurde allerdings bei den religiös motivierten Straftaten registriert: Hier verbuchte das Bundeskriminalamt eine Zunahme um gut 203 Prozent auf 1458 Straftaten 2023 im Vergleich zu 481 im Jahr zuvor. Auch die Zahl der linksextremistisch motivierten Taten stieg. Hier stellten die Ermittler ein Plus von 11,5 Prozent auf 7777 von 6976 im Jahr 2022 fest. Insgesamt stellte das BKA 60.028 Delikte politisch motivierter Gewalt fest, ein Plus von 1,89 Prozent. "Wir erleben eine Eskalation der politischen Aggression", sagte Faeser.

"ESKALATIONSPOTENZIAL IST GROSS"

Mit Blick auf religiöse und ausländische Ideologie stellten die Ermittler nach dem Massaker der radikal-islamischen Hamas in Israel am 07. Oktober eine starke Zunahme der politisch motivierten Straftaten fest. "Das Eskalationspotenzial ist groß", sagte Münch. Erkennbar ist dies dem Bericht zufolge auch an den antisemitischen Straftaten, die mit 5.164 Delikten (davon 148 Gewalttaten) einen neuen Höchststand erreichten. Auch hier sei der "massive Anstieg" sei vor allem auf die Folgen des 07. Oktobers zurückzuführen.

Auch die Zahl der Straftaten gegen Amtsträger und ehrenamtliche nahm demnach zu. Zwar gingen Angriffe mit dem Ziel "Staat" insgesamt um gut 28 Prozent zurück. Angriffe auf Amts- und Mandatsträger nahmen im Vergleich zu 2022 aber um 29 Prozent zu. Faeser sagte, vor allem am rechten Rand werde "ein Klima der Gewalt" geschürt. Sie verwies auf den Angriff gegen den sächsischen SPD-Europaabgeordneten Mathias Ecke, der Anfang Mai in Dresden beim Anbringen von Wahlplakaten krankenhausreif geschlagen worden war. Die mutmaßlichen Täter sollen teils Verbindungen ins rechtsextreme Milieu haben.

Auch die Zahl der Straftaten gegen Geflüchtete nahm 2023 "deutlich" zu, wie es in dem Bericht weiter heißt. Die Polizei habe insgesamt 2.488 Straftaten gegen Asylbewerber registriert, darunter 321 Gewalttaten. Das entspreche insgesamt einem Anstieg um 75 Prozent, bei den Gewalttaten waren es 15 Prozent. Zudem seien 179 Straftaten gegen Asylunterkünfte registriert worden, eine Steigerung von etwa 50 Prozent zum Vorjahr. Fast 90 Prozent dieser politisch motivierten Straftaten gegen Asylbewerber oder den Unterkünften seien im Phänomenbereich "rechts" erfasst worden.

(Bericht von Alexander Ratz; Redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)