Es gebe eine "hohe Wahrscheinlichkeit", dass Russland hinter dem Anschlag stecke, erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die britische Premierministerin Theresa May und US-Präsident Donald Trump am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme. Es handele sich um einen Übergriff gegen die Souveränität des Vereinigten Königreichs. "Ein solches Vorgehen verletzt eindeutig die Bestimmungen des Chemiewaffenübereinkommens und das Völkerrecht. Es bedroht unser aller Sicherheit."

Der 66-jährige Ex-Spion Skripal und seine Tochter waren Anfang des Monats im südenglischen Salisbury bewusstlos aufgefunden worden. Sie kämpfen seitdem in einer Klinik um ihr Leben. Bei dem Anschlag wurde nach britischen Angaben ein Mittel aus der Gruppe der Nowitschok-Nervengifte eingesetzt, die das sowjetische Militär in den 70er und 80er Jahren entwickelt hat. Mit harten Worten kritisierte der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson den Kreml. Es sei vollkommen scheußlich, was Russland in Salisbury getan habe. "Wir müssen darauf antworten." Konkrete Beweise, dass die Regierung in Moskau mit dem Anschlag zu tun hat, hat die britische Regierung allerdings noch nicht vorgelegt.

Großbritannien hatte am Mittwoch 23 russische Diplomaten ausgewiesen. Die Regierung in Moskau kündigte am Donnerstag an, britische Diplomaten ebenfalls ausweisen zu wollen. Man werde damit in Kürze beginnen, zitierte die Nachrichtenagentur RIA Außenminister Sergej Lawrow. Zugleich wies er die Vorwürfe, Russland sei für den Anschlag verantwortlich, als "völlig rüpelhaft" zurück. Vize-Außenminister Sergej Ryabkow wies zudem die Darstellung zurück, dass das bei dem Anschlag verwendete Nervengas in Russland oder der Sowjetunion entwickelt worden sei.

Die Regierungen in London, Washington, Paris und Berlin forderten Russland auf, zu allen offenen Fragen Stellung zu nehmen. "Wir rufen Russland dazu auf, seiner Verantwortung als Mitglied des UN-Sicherheitsrates gerecht zu werden, den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit aufrecht zu erhalten." Konkrete Konsequenzen für Russland enthält die Erklärung nicht.

Die Nato sieht in dem Anschlag einen Versuch, den Westen zu destabilisieren. "Der Angriff in Salisbury passt in ein Schema, das wir seit vielen Jahren beobachten", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Am Montag wolle er in Brüssel mit Johnson über den Anschlag beraten. Großbritannien könne sich auf die Solidarität der Nato verlassen. Bisher gebe es allerdings noch keine Anfrage aus London, den Bündnisfall mit der daraus resultierenden gegenseitigen Beistandspflicht auszurufen.

LONDON PLANT WEITERE SCHRITTE

Die britische Regierung schließt weitere konkrete Schritte aber nicht aus. Als nächstes könnten reiche Russen in Großbritannien mit Verbindungen zu Präsident Wladimir Putin ins Visier geraten. Die Behörden könnten von solchen Personen Auskunft über die Herkunft ihres Vermögens verlangen, sagte Außenminister Boris Johnson im BBC-Fernsehen. Gegebenenfalls würden diese dann wegen Korruption zur Rechenschaft gezogen. Nach früheren Angaben sind auch schärfere Grenzkontrollen und das Einfrieren von Vermögen denkbar. In London gibt es eine große Diaspora von sehr wohlhabenden Russen.

Unabhängig davon verhängen die USA wegen der Einmischung in die Präsidentschaftswahlen 2016 und Cyber-Attacken neue Sanktionen gegen Russland. Betroffen seien 19 Russen sowie fünf Gruppen, sagte US-Finanzminister Steve Mnuchin. US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland sich in den Präsidentschaftswahlkampf 2016 mit Hacker-Angriffen und Propaganda eingemischt hat. Dies habe später zum Ziel gehabt, die Wahl zugunsten von Donald Trump zu beeinflussen. Russland bestreitet die Einmischung.