-- Arbeitslosenzahl sinkt saisonbereinigt um 41.000

-- 2,901 Millionen Menschen ohne Beschäftigung

-- Heil betont Widerstandsfähigkeit des Arbeitsmarktes

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Von Andreas Kißler

NÜRNBERG/BERLIN (Dow Jones)--Der Arbeitsmarkt in Deutschland hat sich im Januar in saisonbereinigter Rechnung deutlich günstiger entwickelt als erwartet. Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) mitteilte, sank die Arbeitslosenzahl bereinigt um saisonale Einflüsse gegenüber Dezember 2020 um 41.000 Personen. Damit sind nun 2,901 Millionen Menschen ohne Beschäftigung. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten hingegen eine Zunahme um 10.000 Personen erwartet. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lobte die Verfassung des Arbeitsmarktes, während die Opposition sich besorgt zeigte. Ökonomen betonten die robuste Lage.

Im Dezember hatte sich die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt in korrigierter Rechnung bereits um 40.000 verringert. Ursprünglich hatte die BA ein Minus von 37.000 Personen ausgewiesen. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote betrug im Januar entgegen den Erwartungen der Experten 6,0 Prozent. Für Dezember korrigierte die BA die Quote auf 6,0 von 6,1 Prozent. Letzteren Wert hatten die Experten auch für Januar angenommen.

Gegenüber dem Vorjahr waren 475.000 Menschen mehr arbeitslos gemeldet. "Der Arbeitsmarkt zeigte sich im Januar alles in allem weiter in einer robusten Verfassung", sagte der Vorstandsvorsitzende der BA, Detlef Scheele. "Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hinterlassen aber Spuren."

Auch Heil äußerte sich in diesem Sinne. "Die Corona-Pandemie ist eine massive Belastung der deutschen Wirtschaft", sagte er bei einem Pressestatement. "Der Arbeitsmarkt erweist sich dennoch als relativ widerstandsfähig." Der nicht saisonbereinigte Anstieg sei im Winter üblich. "Wir werden in diesem Jahr voraussichtlich nicht noch einmal einen so starken Einbruch erleben wie beim ersten Lockdown am Arbeitsmarkt", betonte Heil aber.


 
Neuer Schutzschirm für Ausbildungsplätze 

Zwar stünden noch einige harte Monate bevor, es gebe aber Anlass für "realistische Zuversicht". Das Infektionsgeschehen zeige Erfolge, jedoch müsse man hinsichtlich der Mutationen vorsichtig sein, die auch in Bezug auf wirtschaftliche und arbeitsmarktliche Folgen "eine neue Herausforderung" seien. Mit Blick auf Sorgen um den kommenden Ausbildungsjahrgang kündigte Heil zudem an, er werde einen "neuen Schutzschirm für Ausbildungsplätze auflegen", um die Unternehmen zu unterstützen.

Nicht saisonbereinigt ist die Arbeitslosenzahl im Vergleich zum Vormonat um 193.000 gestiegen. Die Arbeitslosenquote nahm nicht bereinigt um 0,4 Prozentpunkte auf 6,3 Prozent zu. Bei der Saisonbereinigung werden jahreszeitliche Schwankungen zum Beispiel durch übliche Wettereinflüsse herausgerechnet.

"Trotz des zweiten Lockdowns zeigt sich der Arbeitsmarkt weiterhin erstaunlich robust", erklärte auch der Arbeitsmarktexperte der Union, Peter Weiß (CDU). "Das ist bemerkenswert und hoch erfreulich." Das Kurzarbeitergeld sei "die Brücke in die Zukunft". Es sichere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Zeit nach der Pandemie. Man müsse sich aber mit dem Blick in die Zukunft viel stärker auf die Berufsorientierung für die Jugendlichen fokussieren. "Die Schüler der Abschlussklassen sind besonders hart von der Corona-Pandemie betroffen", warnte Weiß.

Hingegen warnte die Linke-Arbeitsmarktexpertin Sabine Zimmermann vor zunehmenden Problemen. "Die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird immer dramatischer", erklärte sie. Die Langzeitarbeitslosigkeit steige deutlich an. "Die Bundesregierung muss Menschen mit geringem Einkommen und Erwerbslose endlich besser unterstützen, sonst droht eine soziale Katastrophe", warnte Zimmermann. So müsse der Zugang zur Arbeitslosenversicherung erleichtert und Hartz 4 durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden.


 
Grüne fordern Garantiesicherung 

Auch der Grünen-Arbeitsmarktsprecher Wolfgang Strengmann-Kuhn erklärte, das jetzige Grundsicherungssystem habe trotz verbesserter Zugangsbedingungen immer noch zu hohe Hürden. Auch um Erwerbstätige besser abzusichern, müsse "Hartz 4 durch eine Garantiesicherung überwunden" werden, die das Existenzminimum garantiert. Kurzfristig brauche man außerdem ein existenzsicherndes Kurzarbeitergeld auch für Geringverdienende.

Ökonomen sahen eine robuste Verfassung des Arbeitsmarktes trotz der Krise. "Wieder einmal hat sich der deutsche Arbeitsmarkt besser geschlagen als erwartet", betonte Commerzbank-Ökonom Eckart Tuchtfeld. "Der umfassende Lockdown in der deutschen Wirtschaft seit Mitte Dezember hat bisher keinen Einbruch am Arbeitsmarkt verursacht." Allerdings wäre die Bilanz ohne den nach wie vor massiven Einsatz von Kurzarbeit weniger günstig. Zudem dürfte der "Weg zurück zum Vorkrisenniveau der Erwerbstätigkeit" noch weit sein.

"Die Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns verlangt Bürgern, Beschäftigten und Unternehmen noch einmal ein hohes Maß an Akzeptanz und Durchhaltevermögen ab", erklärte die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib. "Das stellt viele auf eine harte Probe." Der aktuelle Lockdown werde sich auf die Gesamtwirtschaft allerdings voraussichtlich weit weniger gravierend auswirken als der Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres.

"Wenn sich genügend Menschen impfen lassen und die Impfstoffe wie erhofft wirken, können wir in der zweiten Jahreshälfte einen deutlichen Aufschwung erleben", sagte sie voraus. Unter diesen Voraussetzungen sei es wahrscheinlich, dass die Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 2021 mit 44,9 Millionen wieder leicht höher liege als im Krisenjahr 2020. Die Arbeitslosenquote dürfte von 5,9 Prozent im Jahr 2020 auf 5,8 Prozent im Jahr 2021 zurückgehen.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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January 29, 2021 08:44 ET (13:44 GMT)