--2020 nur knapp 1,4 Gigawatt Zubau wegen schleppender Genehmigungen

--EEG sieht Ausschreibungen von 4,5 Gigawatt für dieses Jahr vor

--Grüne nennen Entwicklung "beschämend"

(Neu: Reaktionen BDEW, Grüne)

Von Petra Sorge

BERLIN (Dow Jones)--Die Krise der deutschen Windkraft an Land hat sich im vergangenen Jahr zwar entspannt, ein kräftiger Zubau bleibt aber wegen zu schleppender Genehmigungsverfahren noch immer aus. 2020 wurden in Deutschland 420 Onshore-Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 1,4 Gigawatt neu errichtet, wie Bundesverband Windenergie (BWE) und Anlagenbauer mitteilten. Im Vergleich zum Rekordtief des Vorjahres war das eine Steigerung von etwa 46 Prozent, aber innerhalb von drei Jahren ein Einbruch von fast 75 Prozent. Der Energie-Lobbyverband BDEW nannte die Zahlen "alarmierend".

Zieht man die 2020 abgeschalteten Anlagen jedoch ab, betrug der Netto-Zubau nur noch 1,2 Gigawatt oder 217 neue Windräder. In Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Niedersachsen war der Zubau noch am stärksten, am niedrigsten in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin mit einem Anteil von 0 Prozent. "In diesem Schneckentempo erreichen wir die Klimaziele nicht", erklärte BDEW-Chefin Kerstin Andreae. "Notwendig wäre mindestens die dreifache Zubaumenge pro Jahr."


  Höhere Klimaziele sollen noch in diesem Frühjahr ins EEG 

Sorgen macht der Branche aber vor allem der stockende Ausbau in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen. Insgesamt wuchs die kumulierte Gesamtleistung nur um 2 Prozent auf rund 54,9 Gigawatt. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht einen Zubau auf bis zu 71 Gigawatt bis 2030 vor. Allein für dieses Jahr beträgt das Ausschreibungsvolumen demnach 4,5 Gigawatt.

Im EEG sind die höheren EU-Klimaziele von 55 Prozent CO2-Minderung bis 2030 aber noch gar nicht erfasst - Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will daher das jetzige Ausbauziel auf 95 Gigawatt erhöhen. Union und SPD wollen sich noch in diesem Frühjahr einigen, wie sie die Klimaziele konkret in schnelleren Ökostromzubau übersetzen.


  Anwohnerklagen und Artenschutz hemmen Zubau 

Aus Sicht des Geschäftsführers von VDMA Power Systems, Matthias Zelinger, klaffen beim Zubau jedoch der Anspruch im EEG und die Wirklichkeit weit auseinander. Es gebe eine "schwerwiegende Diskrepanz zwischen Ausschreibungsvolumen und Genehmigungen", so Zelinger. Grund für die schleppenden Genehmigungen sind häufig Klagen von Anwohnern oder Konflikte mit dem Artenschutz. Um mehr Flächen bereitzustellen, müsse der angekündigte Bund-Länder-Kooperationssauschuss "schnellstmöglich" seine Arbeit aufnehmen, forderten die Verbände.

Zudem brauche es "eine durchgehende Repowering-Strategie", um bessere Bedingungen für die Modernisierung älterer Anlagen zu schaffen. Denn mit der auslaufenden EEG-Förderung drohen zahlreiche Alt-Anlagen abgeschaltet zu werden, weil sie nicht mehr wirtschaftlich sind.


  BDEW: Neuer Mechanismus im EEG "fatal" 

Der BDEW kritisiert zudem, dass bei den Onshore-Ausschreibungen ein Mechanismus zur sogenannten endogenen Mengensteuerung eingeführt worden sei. Wenn eine Unterzeichnung droht, soll die ausgeschriebene Menge demnach auf die zu erwartende Gebotsmenge reduziert werden. "Das kann fatale Folgen haben: Indem die Ausschreibungsmenge verknappt werden kann, ist die bezuschlagte Menge nicht mehr vorhersehbar", erklärte Verbandschefin Andreae. Gerade Bieter, die aufgrund spezifischer Standortbedingungen höhere Kosten haben, müssten damit rechnen, keinen Zuschlag und keine Förderung für ihre Projekte zu erhalten.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte die Ausbaugeschwindigkeit "beschämend". Wirtschaftsminister Altmaier trage die Verantwortung dafür, "dass der Wirtschaftsstandort, unsere Versorgungssicherheit und die Klimaziele gefährdet sind", sagte Hofreiter. Die Grünen fordern einen Zubau von rund 1.500 Windkraftanlagen zusätzlich im Jahr. "Dazu muss man das Ganze entbürokratisieren, die Planung beschleunigen und dafür sorgen, dass es Planungssicherheit gibt für die Menschen, die investieren wollen", forderte der Grünen-Politiker.

Mit fast 20 Prozent bildete die Onshore-Windenergie 2020 den größten Anteil aller Energien an der Bruttostromerzeugung. Sie sicherte fast 100.000 Arbeitsplätze und 15 Milliarden Euro Umsatz.

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

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January 26, 2021 10:38 ET (15:38 GMT)