Berlin (Reuters) - Nach dem Rücktritt von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht will Bundeskanzler Olaf Scholz die Nachfolge schnell regeln.

"Ich habe eine klare Vorstellung und das wird sehr schnell für alle bekannt werden, wie das weitergehen soll", sagte Scholz am Montag nach einem Besuch bei der Rüstungsfirma Hensoldt in Ulm. Aber es sei klar, dass eine schnelle Entscheidung nötig sei. "Ich weiß, wie es aus meiner Sicht weitergehen soll", betonte der SPD-Politiker. Die SPD besetzt in der Ampel-Regierung die Spitze des Verteidigungsressorts.

Lambrecht gab am Montag ihren Rückzug vom Amt in einer schriftlichen Erklärung bekannt und löste damit eine hektische Debatte um ihre Nachfolge aus. "Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu", begründete Lambrecht ihren Rücktritt.

Lambrecht stand seit Monaten wegen ihrer Amtsführung und missglückter Auftritte in sozialen Medien wie an Silvester in der Kritik. Als Ministerin hatte sie eine grundlegende Reform der Bundeswehr angekündigt und war etwa für den 100 Milliarden-Sondertopf zur besseren Ausstattung der Bundeswehr verantwortlich. In der Frage der Ausrüstung der Ukraine mit deutschen Waffen soll sie nach Informationen von Reuters aus Regierungskreisen einen offensiveren Kurs vertreten haben als Scholz. Es hieß, sie habe den Entschluss zum Rücktritt bereits im vergangenen Jahr gefasst und mehrfach mit dem Kanzler darüber gesprochen.

POLEN UND FINNLAND DRÄNGEN AUF LEOPARD-ENTSCHEIDUNG

Seit Tagen wird über mögliche Nachfolgerinnen oder Nachfolger spekuliert. Die Zeit drängt, denn schon am Freitag treffen sich im sogenannten Ramstein-Format westliche Verteidigungsministerinnen und -minister, um über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu beraten. Schon am Donnerstag wollte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin seine deutsche Kollegin treffen. Länder wie Polen oder Finnland haben Druck aufgebaut, dass Leopard-2-Panzer an die Ukraine geliefert werden sollen. Polen hatte dazu 14 Leopard-Kampfpanzer angeboten, die aber offenbar erst modernisiert werden müssen. Auch Großbritannien hat die Entsendung von 14 Challenger-Kampfpanzern angekündigt.

Die Bundesregierung muss entscheiden, ob sie selbst Kampfpanzer übergibt und ob sie anderen Staaten die Erlaubnis gibt, in Deutschland produzierte Leopard an die Ukraine zu liefern. Scholz hatte noch am Freitag betont, dass er sich in der Debatte nicht treiben lassen werde, zumal die USA und Deutschland erst vorletzte Woche erstmals die Lieferung von Schützenpanzern an die Ukraine beschlossen hätten.

Am Sonntagabend hatte SPD-Chef Lars Klingbeil dann gesagt, dass es "keine roten Linien" in der Frage gebe. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte Deutschland am Montag auf, mehr Waffen zu liefern und Panzer nicht in den Depots zu lassen. Der finnische Verteidigungsminister Mikko Savola sagte, dass in Ramstein über die Leopard-Lieferung gesprochen werde. Denn Finnland sei von der deutschen Haltung abhängig, weil es für eine Lieferung an die Ukraine eine Zustimmung des Herstellerlandes brauche.

GRÜNE WOLLEN PARITÄT

Die SPD besetzt in ihrer Koalition mit Grünen und FDP die Spitze des Verteidigungsressorts. Spekuliert wird seit Tagen über eine mögliche Ernennung etwa der bisherigen Wehrbeauftragten Eva Högl, der Parlamentarischen Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller, von SPD-Chef Lars Klingbeil oder des bisherigen Arbeitsministers Hubertus Heil. Allerdings werden den Männern weniger Chancen eingeräumt, weil dann eine größere Kabinettsumbildung nötig wäre.

Denn Grünen-Parteichef Omid Nouripour pochte nicht nur auf eine schnelle Entscheidung, sondern forderte auch, dass die Parität von Frauen und Männern im Bundeskabinett gewahrt bleibt. Dagegen sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai: "Für uns geht es nur um die Kompetenzfrage." Ob es paritätisch besetzt wird, sei für die Liberalen nicht ausschlaggebend. Regierungssprecherin Christine Hoffmann betonte, dass es für Scholz wichtig sei, dass das Kabinett weiterhin zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestehe. Der Kanzler würdigte Lambrechts Arbeit. Ähnlich positiv äußerte sich Vizekanzler Robert Habeck (Grüne).

(Mitarbeit Christian Krämer, Markus Wacket, Holger Hansen; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Andreas Rinke