BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sein Ziel verfehlt, bis Ende Januar 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal gegen Corona zu impfen. Das räumte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag ein. Die am Montag vom Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichte Quote zum 30. Januar lag bei 75,8 Prozent. Ein zweites Impfziel für Ende Januar hatte Scholz bereits vor einer Woche aufgegeben: 30 Millionen Impfungen wollte er von Weihnachten bis Ende Januar erreichen. Seit dem 26. Dezember wurden nach den RKI-Zahlen aber nur gut 17,3 Millionen Erst-, Zweit- und Drittimpfungen verabreicht (Stand 30. Januar) - also etwas mehr als die Hälfte.

In der Diskussion über mögliche Lockerungen von Corona-Maßnahmen drückt die Regierung unterdessen auf die Bremse und verweist darauf, dass die Omikron-Welle ihren Höhepunkt noch nicht erreicht habe.

Impftempo vom Dezember nicht mehr erreicht

In den Impfzahlen ist der 31. Januar noch nicht berücksichtigt, und es kann auch noch Nachmeldungen geben. Die Tageswerte für die Impfungen insgesamt lagen seit Jahresanfang aber nie über einer Million. Der Höchstwert wurde am 12. Januar mit rund 871 000 erreicht. In den Wochen vor Weihnachten wurden teilweise noch mehr als eine Millionen Menschen pro Tag geimpft.

"Diese Dynamik hat sich über die Weihnachtsfeiertage verlangsamt und ist auch mit dem Jahresbeginn nicht wieder in dem Maße gestiegen, wie wir uns das erhofft haben", sagte Hebestreit. "Da muss man ganz klar sagen: Das Ziel, bis zum 31. Januar 80 Prozent der Bevölkerung mindestens mit einer Impfung zu versehen, ist verfehlt worden."

Genau genommen hat Scholz sogar noch ein weiteres Impfziel verfehlt. Die geplante Impfpflicht sollte nach seinen Vorstellungen schon "ab Anfang Februar, Anfang März" gelten. So hatte er es jedenfalls Ende November vorgeschlagen. Schon jetzt steht aber fest, dass der Bundestag nicht vor März darüber entscheiden wird. Danach muss der Bundesrat noch darüber befinden. Vor dem Sommer wird die Pflicht kaum gelten.

Neben der allgemeinen Impfpflicht seien auch zugänglichere Impfangebote nötig, sagte die designierte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Montag. Ansatz müsse sein: "Der Impfstoff muss zu den Menschen kommen, nicht die Menschen zum Impfstoff." Sie betonte auch: "Ich würde mir wünschen, dass man in der Ansprache, glaube ich, etwas weniger den moralischen Zeigefinger und etwas mehr den Grund, warum wir das alle tun, also auch die Rückkehr zur gesellschaftlichen Freiheit, ins Zentrum stellt."

Scholz hatte die Bekämpfung der Corona-Pandemie in seiner Regierungserklärung zum Amtsantritt zur Chefsache erklärt. Ein erstes Impfziel, dass er Mitte November 2021 bis Ende des Jahres ausgegeben hatte, wurde am 26. Dezember vorzeitig erreicht: 30 Millionen Impfungen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kanzler sich schon die zweiten 30 Millionen bis Ende Januar zum Ziel gesetzt - und obendrein noch die Impfquote von 80 Prozent. Letzteres sollte zuerst schon bis zum 7. Januar erreicht werden, dann bis zum 31. Januar. Auch daraus wurde nichts. Scholz' langfristiges Ziel ist eine Quote von 90 Prozent, für die er allerdings kein Datum genannt hat.

Warnung vor "verfrühten" Lockerungen

Eine schnelle Lockerung von Corona-Maßnahmen stellt die Bundesregierung momentan noch nicht in Aussicht: In dem Moment, wo man das Gefühl habe, verantwortlich lockern zu können, würden Bundes- und Landesregierungen diesen Schritt gehen, sagte Regierungssprecher Hebestreit. Im Augenblick sei es aber "noch ein bisschen verfrüht", schon diesen Schritt zu machen. Der Höhepunkt der Welle sei noch nicht erreicht. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen warnte: "Wir sind noch nicht übern Berg." Es gebe keinen Anlass für kurzfristige Öffnungsmaßnahmen.

Warten bis zur nächsten Corona-Krisenberatung

Das RKI meldete am Montag 78 318 Neuinfektionen innerhalb eines Tages. Vor einer Woche waren es 63 393. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 1176,8 nach 1156,8 am Vortag und 840,3 in der Vorwoche. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechnet Mitte Februar mit dem Höhepunkt der aktuellen Infektionswelle. Am 16. Februar sind auch die nächsten Corona-Krisenberatungen von Scholz und den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder geplant.

Nach Ansicht von FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner sollte dort besprochen werden, "unter welchen Bedingungen, mit welchen Zwischenschritten" das Land wie wieder hochgefahren werden könne. Lindner begründete das am Montag im Fernsehsender "Welt" damit, dass Branchen wie der Kultur- und Veranstaltungsbereich eine Vorlaufzeit bräuchten, bevor sie ihr Geschäft wieder aufnehmen könnten.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sich zuvor im ARD-"Bericht aus Berlin" ebenfalls dafür ausgesprochen, bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz zu warten, aber schon für die Zeit danach zu planen. Söder nannte mehr Zuschauer bei Sport- und Kulturveranstaltungen und "mehr Möglichkeiten" im Bereich von Gastronomie oder Messen.

"Wir müssen noch ein bisschen Geduld haben", sagte CDU-Chef Friedrich Merz in Berlin. "Für Lockerungen ist es aus meiner Sicht heute am Tag zu früh. Aber das kann in zwei bis drei Wochen schon anders sein."/mfi/DP/he