Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die SPD hat in der von Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) ausgelösten Diskussion um die Schuldenbremse für einen schrittweisen Abbau der Neuverschuldung über die kommenden Jahre geworben, wie ihn die fünf Wirtschaftweisen vorgeschlagen haben. Die Mitglieder des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hatten in ihrem Jahresgutachten eine "stufenweise Reduktion der strukturell zulässigen Nettoneuverschuldung" bis 2024 ins Spiel gebracht, analog zum Vorgehen in den Jahren 2010 bis 2016.

"Ich halte den Vorschlag des Sachverständigenrates, nicht so hart reinzugehen, für klug", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider bei einem Online-Pressegespräch. "Die Schuldenbremse in diesem Punkt anzupassen, sind wir bereit."

Die Wirtschaftsweisen schreiben in ihrem Jahresgutachten: "Aufgrund der besonderen finanzpolitischen Herausforderungen im Rahmen der Corona-Pandemie könnte zu deren Bewältigung eine erneute Übergangsphase der Schuldenbremse erwogen werden." Unterstelle man einen strukturellen Verschuldungsspielraum von 1 Prozent für 2022, ergäbe sich für das Jahr eine zulässige Nettoneuverschuldung des Bundes von rund 43 Milliarden Euro. Würde man diesen Spielraum in Höhe von 0,5 Prozentpunkten abschmelzen, so ergäbe sich laut dem Sachverständigenrat im Jahr 2023 eine zulässige Neuverschuldung des Bundes von rund 23 Milliarden Euro.

Schneider unterstützte dieses Vorgehen: "Wenn man sofort auf einen einstelligen Milliardenbetrag geht, würgt man die Konjunktur ab oder muss Steuern erhöhen oder Ausgaben kürzen." Brauns Text sei aus seiner Sicht "mit dem Kanzleramt abgestimmt". Der Kanzleramtsminister sei mit seinem Lösungsvorschlag "sofort wieder ausgebremst worden, dabei ist der Vorschlag diskussionswürdig". Man habe eine schlechtere Ausgangslage durch die Verlängerung des Lockdowns, und die Union wolle noch Steuern für Besserverdienende abschaffen. "Das widerspricht sich", meinte Schneider. Spätestens für die Budgeteckwerte im März müsse es einen Vorschlag geben.

Braun hatte angesichts der coronabedingten finanziellen Belastungen in einem Gastbeitrag des Handelsblattes eine längere Aussetzung der Schuldenbremse vorgeschlagen. Konkret hatte er zu einer Grundgesetzänderung geraten, "die begrenzt für die kommenden Jahre einen verlässlichen degressiven Korridor für die Neuverschuldung vorsieht und ein klares Datum für die Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenregel vorschreibt". Nach heftiger Kritik aus den eigenen Reihen stellte der Kanzleramtschef bei Twitter aber klar, dass er die Schuldenbremse selbst nicht in Frage gestellt habe.

(Mitarbeit: Petra Sorge)

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January 27, 2021 06:37 ET (11:37 GMT)