Berlin (Reuters) - Der frühere österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz muss sich wegen des Verdachts der Falschaussage vor Gericht verantworten.

Gegen Kurz sei Strafantrag gestellt worden, teilte die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption am Freitag in Wien mit. Dem ehemaligen ÖVP-Chef und zwei weiteren Angeklagten wird vorgeworfen, vor dem Untersuchungsausschuss zur sogenannten Ibiza-Affäre falsch ausgesagt zu haben. Das Verfahren soll nach Angaben des Landesgerichts für Strafsachen Wien am 18. Oktober beginnen. Falschaussage kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.

Kurz wies die Vorwürfe zurück. "Die Vorwürfe sind falsch und wir freuen uns darauf, wenn nun endlich die Wahrheit ans Licht kommt und sich die Anschuldigungen auch vor Gericht als haltlos herausstellen", schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst X (früher Twitter). Dass sich die Staatsanwaltschaft trotz 30 entlastender Zeugenaussagen für einen Strafantrag entschieden habe, sei wenig überraschend. Er kritisierte, dass Medien offenbar früher über den Schritt Bescheid wussten als die Betroffenen. Auf entsprechende Medienberichte angesprochen, sagte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei einem Treffen mit dem deutschen Amtskollegen Olaf Scholz: "Wenn es denn so ist, dann besteht jetzt endlich die Möglichkeit der Aufklärung. Das ist für alle betroffenen Personen die Gelegenheit, die Aufklärung anzustreben und zu leisten."

Der 36-jährige Kurz galt als politisches Ausnahmetalent und war bis 2017 Außenminister. Von 2017 bis 2021 war er Bundeskanzler Österreichs. 2019 erschütterte die Ibiza-Affäre seine Regierung. Der Chef der rechtspopulistischen FPÖ und damalige Vizekanzler, Heinz-Christian Strache, trat nach der Veröffentlichung eines auf Ibiza aufgenommenen und belastenden Videos zurück. Die Aufnahmen zeigen, wie er einer angeblichen russischen Oligarchin Staatsaufträge im Gegenzug für Wahlkampfhilfen in Aussicht gestellt hatte. Kurz gab sein Amt im Oktober 2021 auf Druck des Koalitionspartners, der Grünen, auf. Damals wurde bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auch in einem zweiten Fall gegen den konservativen Regierungschef ermittelte. Es ging es um den Verdacht der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung. Im Dezember desselben Jahres zog sich Kurz ganz aus der Politik zurück und gab auch den Parteivorsitz der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) ab. Seither arbeitet er als Stratege für den deutsch-amerikanischen Technologie-Investor Peter Thiel.

(Bericht von Kerstin Dörr, Mitarbeit von Andreas Rinke. Redigiert von Holger Hansen, redigiert von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)