Ausgespielt / Kommentar zu Wirecard von Stefan Kroneck
Frankfurt (ots) - Wer geglaubt hat, mit der jüngsten Strafanzeige der
Finanzaufsicht BaFin gegen den gesamten vierköpfigen Vorstand von Wirecard wegen
des Verdachts der Marktmanipulation hätte die Krise des Fintechs ihren Höhepunkt
erreicht, sah sich am Donnerstag eines Besseren belehrt. Die Kursimplosion nach
der denkwürdigen Ad-hoc-Meldung vom Donnerstag belegt, dass der
Zahlungsabwickler mit seiner Equity Story auf ganzer Linie gescheitert ist.
Wirecard hat ihr letztes Vertrauen bei den Anlegern verspielt.

Dieser Absturz der Aktie kam - wie so vieles in den vergangenen Monaten zuvor
bei Wirecard - mehr als überraschend. Denn die Konzernspitze signalisierte
zuletzt, dass der Abschlussprüfer EY den Geschäftsbericht für 2019 testieren
werde. Doch dazu kam es angesichts der offensichtlichen umfangreichen
Bilanzierungsmängel nicht. EY verweigerte das Testat.

Das ruft Investoren auf den Plan, können diese sich doch zu Recht nach der
erneuten Terminverschiebung für die Bilanzvorlage getäuscht fühlen. Nach dem
zweifelhaften Umgang der Verwaltung von Wirecard mit Publizitätspflichten im
Zusammenhang mit der vorherigen Sonderprüfung von KPMG droht dem Dax-Konzern
eine Klagewelle institutioneller und privater Anleger. Das kostet viel Geld,
drückt auf die Marge und raubt dem Unternehmen wertvolle Zeit bei der
Aufarbeitung der selbstverschuldeten Fehler in der Kapitalmarktkommunikation und
im Bereich Compliance.

Kopfschütteln löst auch der Hinweis der Konzernführung aus, dass bei einer
Nichtvorlage der Bilanz bis zum heutigen Freitag Gläubigerbanken 2 Mrd. Euro
fällig stellen können. Was ist da los? Hat der Vorstand seine Organisation nicht
mehr im Griff? Solche drohenden Probleme ließen sich im Vorfeld mit Geschick in
den Verhandlungen mit den kreditgebenden Banken aus dem Weg räumen.
Offensichtlich verfügt das Management nicht mal mehr darüber. Dass diese von
Wirecard selbst verlautbarte Frist - 19. Juni - nicht mehr einzuhalten ist,
dürfte klar sein. Denn in wenigen Stunden lassen sich die Mängel, die mit 1,9
Mrd. Euro ein Viertel der Bilanz ausmachen, nicht aus dem Weg räumen.

Der Reputationsschaden bei Wirecard ist mittlerweile so gewaltig, dass der Druck
auf den als Aufräumer angetretenen Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Eichelmann
wächst, personell alsbald die Reißleine zu ziehen. Braun und seine
Vorstandskollegen haben ausgespielt. Angesichts ihrer zum Jahresende
auslaufenden Verträge wäre ein "Weiter-so" bei der Gesellschaft
unverantwortlich.

(Börsen-Zeitung, 19.06.2020)

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