Von Andreas Kißler

BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat klargestellt, dass eine Umsetzung der vereinbarten internationalen Mindestbesteuerung eine Priorität für die Bundesregierung bleibe. "Wir wollen die effektive globale Mindestbesteuerung zum 1. Januar 2023 umsetzen, dafür haben wir heute auch geworben", erklärte Lindner nach einem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel. Wenn auch die erste Säule der Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung sei, die ein neues System der Zuordnung internationaler Besteuerungsrechte vorsieht, "dann wäre das ein ganz großer Fortschritt für die faire und nachhaltige Gestaltung der internationalen Finanzbeziehungen".

Dann würde auch die Erwartung der Bevölkerung erfüllt, "dass auch die ganz großen internationalen Unternehmen ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten", sagte er mit Blick auf die Maßnahme, die besonders auf digitale Geschäftsmodelle abzielt. Lindner lehnte aber Forderungen ab, die Neuordnung der Besteuerungsrechte gemeinsam mit der Umsetzung der Mindesbesteuerung zu verhandeln. "Wir sehen den politischen Zusammenhang, einen technischen und rechtlichen Zusammenhang sehen wir allerdings nicht", hob der Finanzminister hervor. Er erwartete aber positive Auswirkungen durch eine schnelle Umsetzung.

Zur Reform des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes erklärte der FDP-Politiker, er habe in Gesprächen dazu "unterstrichen, dass die deutsche Bundesregierung offen ist für eine sinnvolle Weiterentwicklung, dass für uns der Stabilitäts- und Wachstumspakt aber im Kern seine Flexibilität auch in der Krise bewiesen hat". In der Zukunft gelte es, sowohl den Gedanken von Wachstum als auch den "der fiskalischen Stabilität und von Nachhaltigkeit der Staatsfinanzierung" zu verfolgen. Die Fiskalregeln hätten allerdings diesmal nicht im Zentrum der Beratungen gestanden.

Bereits am Vortag hatte Lindner es nach Aussagen des französischen Finanzministers Bruno Le Maire, die Verschuldungsregeln seien überholt, als für die Bundesregierung entscheidend bezeichnet, "dass wir die Bedeutung der Fiskalregeln weiter beachten". In seinem Statement am Dienstag sagte er, beide hätten das gemeinsame Interesse, Wachstum zu stärken, "und es ist unser deutsches besonderes Anliegen, darüber hinaus auch sicherzustellen, dass die langfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen gesund und nachhaltig ist". Man werde nun in einen Austausch darüber eintreten, was am Stabilitäts- und Wachstumspakt verändert werden könne.

"Wir sollten alle Realisten sein", riet Lindner aber. "Realisten konzentrieren sich auf das Erreichbare, und dabei handelt es sich eher um die Anwendung und Interpretation der bestehenden Regeln". Man solle bei den Menschen nicht die Erwartung wecken, dass es grundlegende Veränderungen an den EU-Verträgen geben würde. Lindner hatte bereits am Vortag betont, bei den Kriterien der Defizitregeln von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung bei der Neuverschuldung und 60 Prozent beim Schuldenstand seien keine Änderungen zu erwarten.

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January 18, 2022 08:40 ET (13:40 GMT)