Eine Auswahl an Kommentaren aus Tageszeitungen zu wichtigen Themen des Tages.

US-AUßENPOLITIK

Frankfurter Rundschau: "Natürlich begrüßen Deutschland und die anderen EU-Staaten Joe Bidens veränderte US-Außenpolitik. Doch nur weil Amerika und damit die Diplomatie zurück sind, ist noch lange nicht alles wieder gut in den transatlantischen Beziehungen. Zwar ist es für eine konstruktive Politik hilfreich, wenn Biden den Multilateralismus wieder stärken will und damit nicht mehr auf Konfrontation, sondern auf Kooperation setzt. Bei genauerem Hinsehen fordern Bidens Ziele Europa heraus. Die angekündigte härtere Gangart gegenüber Russland werden viele gerne hören. Doch trotz der Probleme zwischen EU und dem östlichen Nachbarn kann Europa nicht daran interessiert sein, die belasteten Beziehungen zu Moskau weiter zu strapazieren. Und einiges, was Biden nicht gesagt hat, sollte aufhorchen lassen. Zu dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern äußerte er sich genauso wenig wie zu dem Krieg in Syrien. Die EU sollte dies als Fingerzeig verstehen, sich stärker um diese Konflikte zu kümmern."

Junge Welt: "Die alten Ziele, aber mit besseren Manieren vorgetragen - solange das hilft. Denn worauf das hinausläuft, beklagt vom anderen Ende der Welt der ehemalige australische Ministerpräsident Kevin Rudd im aktuellen Heft der Zeitschrift Foreign Policy: Die USA und China stünden 'knapp vor einem Krieg', ihre Konkurrenz sei 'unausweichlich'. Ob das denn wirklich sein müsse, fragt Rudd. Soviel ist klar: Er wird nicht gefragt werden."

Mitteldeutsche Zeitung: "Die Markigkeit, mit der Biden sich gegenüber China und Russland positionierte, fiel deutlich aus dem freundlich-kooperativen Rahmen. Damit ist markiert, an welcher Stelle die USA auch künftig wohl wenig Widerspruch dulden. Deutschland und die EU tun gut daran, sich auch weiterhin sehr genau zu überlegen, welche außenpolitischen Ziele sie selbst verfolgen - auch wenn die transatlantische Partnerschaft nun wohl hoffentlich wieder ihren Namen verdient."

Straubinger Tagblatt: "Bidens erklärter Wunsch ist es, dass sich die USA ihre Führungsrolle in der Welt wieder verdienen. Dabei unterscheidet die Amerikaner von anderen Weltmächten seit jeher das Prinzip der 'Führung durch Einladung'. (...) Jetzt liegt es an Europa, nicht ganz zuletzt an Deutschland, die erneute Einladung anzunehmen. Wenn uns bei Russland vor allem die eigene Gasversorgung und bei China gigantische Märkte einfallen, sind wir für die USA ein wenig interessanter Partner. Eine Nato-Mitgliedschaft zum Sparpreis wird uns auch Biden nicht zugestehen. Europa darf die Probleme der Welt den Amerikanern nicht allein überlassen. Zu mehr Verantwortung dürfte außerdem die Überlegung zwingen, dass auf Biden auch der nächste Trump folgen könnte."

Der Standard: "Zunächst bemüht sich Biden darum, entstandenen Schaden zu reparieren. Wenn er den Wert traditioneller Allianzen betont, kann man das auch als Geste der Demut, ja, der Entschuldigung gegenüber den Verbündeten verstehen. Denn er weiß nur zu genau, wie sehr das Vertrauen gelitten hat. (...) Nun kann dieser Veteran der Politik keine Garantien geben, dass in vier Jahren nicht ein zweiter Trump im Weißen Haus einzieht, ein Nationalist mit 'America first'-Parolen. Das Eis, auf dem sich Transatlantiker wie er im eigenen Land bewegen, ist nicht besonders dick. Doch zumindest kann er sich als Chef des Reparaturbetriebs 'Joe Biden Inc.' zu jenem multilateralen und regelgebundenen Handeln bekennen, in dem sein Vorgänger nur eine Zwangsjacke sah, die ihn in seinen außenpolitischen Geschäften behinderte."

RUSSLAND

Mitteldeutsche Zeitung: "An der grundsätzlichen Frage nach dem richtigen Umgang mit Russland ändert das aber nichts: Mehr Dialog oder mehr Druck? Wer nach einer Antwort sucht, sollte das Ziel nicht aus dem Auge verlieren. So utopisch es klingt, aber das beste Szenario wäre ein modernes, demokratisches Russland, dessen kluge Köpfe erfolgreich Impfstoffe, Raumfahrttechnik oder Software entwickeln. Was für ein wunderbares Land könnte das sein!"

Süddeutsche Zeitung: "Chaos ist das was alle fürchten - und daher das Schreckgespenst, das jeden Wandel lähmt. Wann immer Proteststimmung aufglimmt, erinnern die Staatsmedien mahnend an die Neunzigerjahre, als die Hyperinflation Millionen ins Unglück stürzte, die Straßen nicht sicher waren. Klar, jetzt sind die Zeiten schwierig, die Löhne niedrig - aber war nicht alles schon viel schlimmer? Stabilität ist den meisten Russen wichtiger als Demokratie, selbst wenn es ein stabiler Mangel ist. Was soll ein Mann mit Freiheit anfangen, wenn er ohne Hosen dasteht, hat mal ein Lkw-Fahrer gefragt. Deswegen ist es kein Widerspruch, dass sich jemand über Putins mutmaßlichen Luxuspalast aufregt und ihm trotzdem seine Stimme gibt. Fragt man die Russen, wem sie am meisten vertrauen, sagen sie: Armee, Präsident, Geheimdienst. In der Reihenfolge. Weil ihnen eingetrichtert wird, dass sie permanent von außen bedroht werden und Schutz brauchen. Demokratische Strukturen, Parteien, Parlament und Gerichte gelten als ausgehöhlt und korrumpiert; was oft leider sogar stimmt."

IMPFSTRATEGIE DER EU

Leipziger Volkszeitung: "Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Versäumnisse bei der Impfstoffbestellung eingeräumt. Das war nötig und ist gut. Nun geht es darum, ausreichend Corona-Impfstoff auch für den Fall zu besorgen, dass die jetzigen Impfungen nicht zur Grundimmunisierung führen, sondern wiederholt werden müssen. Schon jetzt muss dafür gesorgt werden, dass die Milliarden von Euro etwa für die Digitalisierung der Schulen auch abgerufen werden und das Land nicht an Bürokratie erstickt, die die Menschen schon lange nicht mehr verstehen. Und für einen würdigeren Umgang mit Alten und Schutzbedürftigen braucht es mehr Pflegekräfte. Die Krise als Chance - man muss sie jetzt nutzen."

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February 05, 2021 14:25 ET (19:25 GMT)