Washington (Reuters) - Sollte US-Präsident Joe Biden doch aus dem Rennen um seine Wiederwahl aussteigen, wäre seine Stellvertreterin Kamala Harris trotz aller Vorbehalte Insidern zufolge die erste Alternative für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. An der Vizepräsidentin führe so gut wie kein Weg vorbei, auch wenn einige einflussreiche Parteivertreter bereits andere Namen in den Ring geworfen hätten wie etwa Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom oder dessen Kollegin aus Michigan, Gretchen Whitmer.

Diese Überzeugung äußerten insgesamt sieben ranghohe Vertreter aus Bidens Wahlkampfteam, dem Präsidialamt und der Parteispitze in Gesprächen mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Seit Bidens schwachem Auftritt beim TV-Duell gegen seinen republikanischen Herausforderer Donald Trump ist eine heftige Debatte darüber entfacht, ob der 81-Jährige fit genug ist für eine weitere Amtszeit. Er selbst pocht dennoch darauf, bei der Wahl im November erneut anzutreten - auch wenn die Rufe nach einem Rückzug lauter werden. Doch bei den Spekulationen darüber, wer kurzfristig einspringen könnte, wurde nach Angaben einiger Insider um Harris bislang oft ein Bogen gemacht, weil ihr von mehreren einflussreichen Demokraten kaum Chancen für einen Sieg gegen Trump eingeräumt werden.

Die 59-Jährige hat sich schwer getan, aus ihrer Rolle als Vizepräsidentin hervorzustechen. In Bidens Wahlkampfteam wurde sie von vielen lange sogar als potenzielle Belastung empfunden. Mittlerweile hat sie sich unter anderem beim umstrittenen Wahlkampfthema Abtreibung Anerkennung verschaffen können. Doch gewichen ist die Skepsis nicht.

In Umfragen schneidet sie ähnlich wie Biden ab. In einer am Dienstag veröffentlichten Erhebung von Reuters und dem Ipsos-Institut kommt sie auf 42 Prozent - nur ein Punkt weniger als Trump, der wiederum Kopf-an-Kopf mit Biden liegt. Die Insider verweisen zudem darauf, dass sie unter all den alternativ gehandelten potenziellen Nachrückern den höchsten Bekanntheitsgrad habe. Auch sei es grundsätzlich so gut wie unmöglich, anstelle eines Vizepräsidenten nominiert zu werden, sagt Michael Trujillo, ein Wahlkampfstratege der Demokraten. Es sei nun mal so, dass Harris Name auf dem Kandidaturticket hinter Biden an zweiter Stelle stehe, betont auch die Demokratin Donna Brazile. Und selbst drei Geldspender der Partei räumen ein, dass sie von Harris zwar nicht begeistert seien, es aber "unmöglich sein wird, Kamala zu ignorieren". Harris' Büro wiederum erklärte zu den Spekulationen, dass die Vizepräsidentin sich auf eine zweite Amtszeit mit Biden freue.

(Geschrieben von Christian Rüttger, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Nandita Bose