Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) rät der Bundesregierung, die umstrittenen Pläne der Europäischen Kommission zur Einstufung von Atomenergie und Gas als nachhaltig nicht rundheraus abzulehnen. Vielmehr sollte sie sich für eine stärkere Reduzierung der in der EU erlaubten Kohlendioxid-Emissionen starkmachen.

"Es könnte klimapolitisch ein Fehler sein, dass die Bundesregierung den EU-Vorschlag zur Kernenergie rundheraus ablehnt. Vielmehr sollte sie darauf dringen, dass im Gegenzug die Fitfor55-Klimaschutzpläne der EU weitreichend anerkannt werden", erklärte Wilfried Rickels, Direktor des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik am Kiel Institut für Weltwirtschaft. Insbesondere wäre es ein Gewinn für den Klimaschutz, wenn die im Rahmen des europäischen Emissionshandels erlaubte Maximalmenge wie von der EU vorgesehen über die nächsten Jahre stärker als bisher geplant linear sinken würde.

"Dann kann die kontroverse Einstufung der Kernkraft unterm Strich einen wichtigen Beitrag für geringere CO2-Emissionen liefern, ohne dass es am Ende zu einer Renaissance der Kernenergie kommen wird", betonte Rickels.

Zuvor hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, Kernkraft und Gas als klimafreundlich einzustufen. Damit würden diese beiden Formen der Energiegewinnung als nachhaltig in die sogenannte Taxonomieverordnung der EU-Kommission eingehen. Als Konsequenz könnte der Bau solcher Anlagen entsprechend gefördert und damit für Investoren attraktiver gemacht werden. Dazu hatten Länder wie Frankreich und Polen gedrängt. Österreich und auch der grüne Koalitionspartner in der Bundesregierung sind strikt dagegen.

Laut Rickels ist es aber richtig, dass Gaskraftwerke, die auf Wasserstoff umgerüstet werden können oder Kohlenstoffabscheidung und -lagerung (CCS) einsetzen, in der EU-Taxonomie als nachhaltig eingestuft werden sollen.

"Denn ein beschleunigter Ausbau wetterabhängiger erneuerbarer Energien braucht flankierend die regelbare Stromerzeugung", so der Experte. Diese könne zwar auch die Kernenergie CO2-arm liefern, aber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei es nicht effizient, dass sie einen großen Beitrag zur CO2-neutralen Stromerzeugung beitrage.

Dennoch bestehe ein starkes Interesse von einer Gruppe europäischer Staaten, diese Technologie aufzunehmen. "Dass die Bundesregierung dies anerkennt und im Gegenzug andere Zugeständnisse erreicht, wäre für den Klimaschutz am Ende wahrscheinlich nützlicher", sagte Rickels.

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January 03, 2022 04:49 ET (09:49 GMT)