Sehr geehrter Herr Schweitzer,
sehr geehrter Herr Adrian,
Herr Regierender Bürgermeister,
meine Damen und Herren,

lieber Herr Schweitzer, bereits Anfang des Jahres haben Sie Ihr Amt als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages an Peter Adrian übergeben. Aber wir wollen Sie dennoch nicht einfach so ziehen lassen, sondern stattdessen im festlichen Rahmen verabschieden. Ich wäre heute natürlich lieber persönlich vor Ort mit dabei. Dass ich Ihnen meinen Dank für Ihre Arbeit und unsere Zusammenarbeit nur virtuell übermitteln kann, soll diesen Dank aber in keiner Weise schmälern.

Es wurde eben schon gesagt: 2013 wurden Sie der bis dahin jüngste Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Das sagt für sich betrachtet natürlich noch nicht sehr viel aus. Aber dass Sie frischen Wind in die öffentliche Debatte brachten - ich denke zum Beispiel an das Thema Erbschaftsteuer zurück -, das steht für uns alle und auch für mich außer Zweifel. Sie pflegten immer das offene Wort, ohne Scheu vor Kontroversen, sachlich und gut begründet.

In einem Interview sagten Sie einmal über sich selbst: 'Ich bringe andere auf die Palme, wenn ich für ein Thema brenne und nicht lockerlasse.' Diese Hartnäckigkeit, dieses Brennen für ein Thema - genau das braucht es ja auch, wenn man an der Spitze eines Verbands steht, der die Interessen der gesamten gewerblichen Wirtschaft in unserem Land vertritt. Doch genauso bedarf es der Fähigkeit zu einem gewissen Ausgleich. Denn das Meinungsspektrum der vielen großen und kleinen Unternehmen verschiedenster Branchen ist bekanntermaßen breit gefächert. Es gilt also, beides zusammenzubringen: Aufgeschlossenheit und Kompromissbereitschaft auf der einen Seite und nötige Standfestigkeit auf der anderen Seite, zum Beispiel um Kompromisse im eigenen Verband durchzusetzen und dann auch nach außen zu vertreten. Das ist Ihnen, lieber Herr Schweitzer, sehr gut gelungen. Dabei kam Ihnen sicherlich auch Ihre unternehmerische Erfahrung zugute. Wer wie Sie seit Jahren selbst ein Unternehmen erfolgreich führt, dem wird durchaus abgenommen, dass er weiß, wovon er spricht.

So waren Sie mir und der Bundesregierung ein sehr geschätzter Gesprächspartner. Das möchte ich hier ausdrücklich für all die Jahre sagen und auch mit Blick auf die Pandemie und ihre ganz besonderen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Ich glaube, wir beide haben nicht geahnt, dass wir zum Ende Ihrer Amtszeit solch eine Zeit durchleben würden.

Seit Beginn der Pandemie versuchen wir, eine Überlastung unseres Gesundheitswesens zu vermeiden, weil von der Eindämmung des Virus nicht allein unser Gesundheitswesen abhängt, sondern im Ergebnis auch ganz wesentlich die wirtschaftliche Erholung. In diesem Zusammenhang gibt es das recht weit verbreitete Missverständnis, in der Pandemiebekämpfung gehe es um Gesundheit oder Wirtschaft. Das ist eine falsche Annahme. Denn es ging und geht nie um Gesundheit oder Wirtschaft, sondern immer ging es um Gesundheit und Wirtschaft. Mit anderen Worten: Je besser wir durch die Pandemie kommen, das heißt, je nachhaltiger wir es schaffen, Infektionszahlen nach unten zu drücken und vor allem unten zu halten, desto besser und nachhaltiger kann sich in der Folge auch die Wirtschaft erholen.

Dafür war es von großer Bedeutung, dass wir - die Bundesregierung, die Wirtschaftsverbände und die Gewerkschaften - uns in den Monaten der Pandemie regelmäßig getroffen haben, um gemeinsam über Mittel und Wege zur Eindämmung der Pandemie und ihrer Folgen zu beraten. Bei diesen Beratungen kamen alle Probleme auf den Tisch: die Notwendigkeit von Kontaktbeschränkungen, um das Infektionsgeschehen einzudämmen, wie auch mögliche Öffnungsperspektiven, eine Strategie für systematisches Testen und das Arbeiten im Homeoffice wie auch das Kurzarbeitergeld und Wirtschaftshilfen und vieles mehr.

Es war von größter Bedeutung, dass die Bundesregierung ein umfassendes, milliardenschweres Hilfs- und Investitionspaket auf den Weg gebracht hat. Dank der soliden Haushaltspolitik in den Jahren vor der Pandemie hatten wir hinreichenden Handlungsspielraum, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie abzufedern. Die Hilfsprogramme kommen Unternehmen und Selbständigen aller Wirtschaftszweige und Größenordnungen zugute. Inzwischen sehen wir immer deutlichere Zeichen der Erholung. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt und liegt wieder unter dem Stand des Vorjahres. Auch die Zahl der Kurzarbeiter ist erstmals seit Beginn des zweiten Lockdowns wieder gesunken. Das liegt natürlich an den freundlichen Konjunkturdaten. So steigen zum Beispiel auch im Einzelhandel die Umsätze wieder. Insgesamt konnten die Wachstumserwartungen für Deutschland für dieses und das nächste Jahr zuletzt wieder weiter nach oben korrigiert werden.

Die derzeit deutlich sinkenden Infektionszahlen machen Mut und zeigen, wie sehr unsere Maßnahmen und Verhaltensregeln wirken. Das gilt auch für den Einsatz der Unternehmen, die mit Möglichkeiten zum Homeoffice und regelmäßigem Testen zu diesem Erfolg ganz wesentlich beitragen. Dafür danke ich ihnen. Gerade flächendeckende Tests sind für eine frühzeitige Erkennung und Unterbrechung der Infektionsketten von entscheidender Bedeutung. Hinzu kommt die Impfkampagne, bei der nun auch nach und nach die Betriebsärzte einbezogen sind. Das wird der Impfbereitschaft mit Sicherheit weiteren Rückenwind geben.

Meine Damen und Herren, auch wenn es wirtschaftlich inzwischen also wieder aufwärtsgeht, weiß ich natürlich, dass das keinesfalls zwangsläufig bedeutet, dass es aus Sicht der Wirtschaftsverbände weniger zu kritisieren gibt. Der DIHK und sein Präsident sprechen klare Worte. Seit Oktober letzten Jahres muss in diesem Zusammenhang allerdings das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mit beachtet werden, das verlangt, die Struktur der Kammervertretung auf Bundesebene im Industrie- und Handelskammergesetz neu zu ordnen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag soll von einem eingetragenen Verein in eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit gesetzlicher Mitgliedschaft umgewandelt werden. Den Gesetzentwurf dazu hat die Bundesregierung schon vor einiger Zeit auf den Weg gebracht. Es liegt nun an Bundestag und Bundesrat, die Beratungen zu diesem Gesetzentwurf zügig abzuschließen. Im Deutschen Bundestag wird das diese Woche passieren. Denn es ist natürlich wünschenswert, noch in dieser Legislaturperiode die Rechtssicherheit herbeizuführen, die der DIHK für seine Arbeit braucht. Ich glaube, nur so kann der DIHK seine wichtige Rolle ausüben, die ihm zum Beispiel auch in der Aus- und Weiterbildung zukommt.

Der DIHK ist ein Partner der ersten Stunde in der Allianz für Aus- und Weiterbildung. Mit dieser Allianz wollen wir das Erfolgsmodell der dualen Ausbildung weiter stärken. Und ich bin froh, dass Sie, lieber Herr Schweitzer, immer ein engagierter Fürsprecher dieser Allianz waren.

Junge Menschen auf dem Weg ins Berufsleben treffen die Folgen der Pandemie im Augenblick besonders hart. Im vergangenen Ausbildungsjahr ging die Zahl der Ausbildungsverträge deutlich zurück. Die Coronakrise aber darf jungen Menschen die berufliche Zukunft eben nicht verbauen. Deshalb müssen wir alles daransetzen, ihre Ausbildungs- und Berufschancen zu sichern - für die jungen Menschen selbst wie auch zur Fachkräftesicherung unserer Wirtschaft. Fachliches Wissen und Können sind und bleiben für jedes Unternehmen entscheidende Erfolgsfaktoren.

Natürlich erschweren coronabedingte Umsatzeinbußen Investitionen in die Ausbildung und damit in die Zukunft von Betrieben. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung kleine und mittlere Unternehmen mit dem Bundesprogramm 'Ausbildungsplätze sichern' unterstützt. Hier hat die Bundesregierung zuletzt die Ausbildungsprämien sogar verdoppelt. Es muss uns so schnell wie möglich gelingen, aus dem Negativtrend bei den Ausbildungsverträgen einen Positivtrend zu machen. Dabei sind Staat und Sozialpartner auch gemeinsam gefordert, Betriebe und Auszubildende besser zusammenzubringen. Das gelang natürlich während der Corona-Einschränkungen nicht so gut wie es hätte sein müssen. Kein Jugendlicher und kein Betrieb sollen allein gelassen werden.

Die Allianzpartner werden im sogenannten 'Sommer der Berufsausbildung' mit gezielten Aktionen und Informationen für die duale Ausbildung werben. Ich begrüße das sehr. Aber auch angesichts des demografischen Wandels wird das nicht der letzte Sommer sein, in dem wir die Werbetrommel für Ausbildung rühren.

Meine Damen und Herren, als Partner ist der DIHK nicht nur in Ausbildungsfragen und nicht nur in Deutschland gefragt. In 92 Ländern pflegen Auslandshandelskammern eine enge Kooperation mit Akteuren aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft vor Ort. Das macht sie - auch für die Bundesregierung - zu wichtigen Anlaufstellen und Informationsquellen für deutsche Unternehmen, die im Ausland aktiv sind oder sein wollen.

Das gilt nicht zuletzt für afrikanische Standorte. Ich weiß, dass sowohl Herrn Schweitzer als auch Herrn Adrian die wirtschaftlichen Beziehungen zu Afrika sehr am Herzen liegen. So macht sich der DIHK auch für den Erfolg des Compact with Africa stark - einer Initiative, die wir während der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 ins Leben gerufen haben. Diese Initiative dient dazu, private Investitionen in reformorientierten Partnerländern anzukurbeln.

Ich bin dem DIHK sehr dankbar dafür, dass er die Wirtschaftskonferenzen organisiert, die regelmäßig im Rahmen der Compact with Africa-Kongresse stattfinden. Dort bieten sich deutschen Unternehmen, die sich in Partnerländern engagieren wollen, hervorragende Gelegenheiten, sich miteinander und mit den Regierungen dieser Länder auszutauschen.

Ich begrüße es sehr, dass der DIHK das Netz der Auslandshandelskammern in Afrika noch erweitern möchte und hoffe, dass die geplanten neuen Standorte in Côte d'Ivoire und Äthiopien bald starten können.

Im Übrigen wurden auch die Auslandshandelskammern von der Pandemie hart getroffen. Ihr Einsatz für die deutsche Wirtschaft im Ausland kann teilweise nur sehr eingeschränkt stattfinden. Erschwerte Ein- und Ausreisen, unterbrochene Lieferketten - manche Auswirkungen werden noch lange zu spüren sein. Doch auch in herausfordernden Zeiten können sich deutsche Unternehmen auf die Kammern und ihre Delegationsbüros vor Ort verlassen, zumal sie ihnen auch digital mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Gleichwohl sind die Arbeitsbedingungen der Kammern während der Pandemie alles andere als einfach. Die Bundesregierung unterstützt daher den DIHK in dieser schwierigen Situation. Gemeinsam haben wir einen Schutzschirm für die Auslandshandelskammern konzipiert, damit keine von ihnen infolge der Corona-Krise in finanzielle Schieflage gerät.

Lieber Herr Schweitzer, nach acht Jahren ist für Sie die Zeit an der Spitze des DIHK satzungsgemäß zu Ende gegangen. Als Ehrenpräsident werden Sie ihm zwar auch weiter eng verbunden bleiben, aber vermutlich trotzdem mehr Zeit finden, sich Ihrem Unternehmen zu widmen. Ihr Vater hatte das Berliner Recyclingunternehmen ALBA gegründet. Heute führen Sie zusammen mit Ihrem Bruder die ALBA Group. ALBA ist außerhalb Berlins nicht nur Kennern der Branche ein Begriff, sondern auch jedem Basketballfan. Das Familienunternehmen macht sich als Sponsor im Profisport verdient, aber es sorgt auch in Schulen für Bewegung, indem es ein großes Angebot an Sportkursen unterstützt. Zudem macht sich die Unternehmensgruppe für krebskranke Kinder und für Heimkinder stark.

Ich hoffe, lieber Herr Schweitzer, dass Sie sich mit Ihrem Unternehmen auch weiterhin in den Dienst der einen oder anderen guten Sache stellen. Was auch immer Sie anpacken, ich wünsche Ihnen auch künftig eine glückliche Hand. Alles Gute für Sie.

Lieber Herr Adrian, Sie haben die Führung des DIHK in einer schwierigen Zeit übernommen. Wir hatten bereits Gelegenheit zum persönlichen Austausch. Als langjähriges Mitglied des Vorstands kennen Sie den DIHK wie Ihre Westentasche. Schon deshalb weiß ich den DIHK weiter in guten Händen. Ich bin mir außerdem sicher, dass der Dialog mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag auch der nächsten Bundesregierung wichtig sein wird. Denn Politik und Wirtschaft sind wechselseitig auf ebenso kritische wie konstruktive Gespräche angewiesen - zum Wohle unseres Landes. In einem Wort also: Alles Gute und viel Erfolg für Ihre Präsidentschaft.

Und Ihnen allen, meine Damen und Herren, herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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German Federal Government published this content on 09 June 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 09 June 2021 15:52:07 UTC.