München/Brüssel (Reuters) - Im Zollstreit mit den USA und der Europäischen Union legt China nach und bringt höhere Abgaben ins Spiel.

Ein Experte eines staatlichen Forschungsinstituts sprach von 25 Prozent Einfuhrzoll, der für westliche Verbrennerfahrzeuge mit größeren Motoren gelten soll. Das dürfte insbesondere die deutschen Autobauer BMW und Mercedes treffen. Liu Bin, Experte des China Automotive Technology & Research Center (CATARC) begründete den Vorschlag explizit mit den Plänen für Strafzölle in den USA und Europa. An der Börse gaben die Kurse der Autobauer nach. Stuart Cole, Chefvolkswirt beim Finanzdienstleister Equiti Capital sagte, diese Äußerungen aus China seien "eindeutig ein Warnschuss".

Die EU-Kommission will im Juni entscheiden, ob sie Anti-Dumping-Zölle auf chinesische Elektroautos verhängt und damit dem Vorbild der USA folgt. Dort legte der Handelsbeauftragte nun Details zu den Strafzöllen vor, die ab August auf 100 Prozent steigen sollen. Dann ende eine 30-tägige Konsultationsphase, teilte die US-Regierung mit. Neben Elektroautos sind auch Halbleiter und zahlreiche andere Produkte von den höheren Zöllen betroffen.

In der Autobranche stoßen die Zollpläne einhellig auf Kritik. Stellantis-Chef Carlos Tavares bezeichnete am Mittwoch im Interview der Nachrichtenagentur Reuters Zölle als eine "größere Falle". Sie verhinderten die nötige Anpassung der westlichen Autobauer an die Konkurrenz aus China nicht, sondern trieben lediglich die Inflation nach oben. Auch BMW-Chef Oliver Zipse hatte bei der Hauptversammlung die Zölle kritisiert und darauf verwiesen, dass ein großer Teil der aus China importierten Elektrofahrzeuge von westlichen Herstellern produziert wird. BMW führt etwa den elektrischen Mini aus der Volksrepublik ein, Mercedes produziert dort den Smart, die Renault-Tochter Dacia stellt den Spring in China her.

STELLANTIS-CHEF: REGIERUNGEN SCHEUEN VOR ANPASSUNG ZURÜCK

Tavares sagte, Elektroautobauer aus China hätten derzeit einen Kostenvorteil von 30 Prozent. Wenn man sich der Konkurrenz stellen und den Kostenvorteil ausgleichen wolle, ziehe das Konsequenzen für die Gesellschaft mit sich, sagte der Chef des Opel-Mutterkonzerns. "Aber die Regierungen von Europa wollen sich dem im Moment nicht stellen." Mit den Gewerkschaften sei sein Unternehmen aber in guten Gesprächen. "Die meiste Zeit stimmen sie mit uns darin überein, was das Risiko ist, vor dem wir stehen, und wie wir durch diese Zeit kommen."

Die Autobranche rede nicht von einer darwinistischen Periode, "wir stecken mitten drin". Der Preiskrieg mit dem chinesischen Rivalen werde "sehr hart". "Es wird nicht leicht für die Händler. Es wird nicht leicht für die Zulieferer. Es wird nicht leicht für die Autobauer selbst." Chinesische Autobauer seien auf dem Weg, 1,5 Millionen Autos in Europa zu verkaufen, was einem Marktanteil von zehn Prozent entspreche. Unternehmen wie BYD setzen dabei auch auf eigene Werke. Tavares sprach von bis zu zehn Fabriken, die errichtet werden könnten. "Wenn wir zulassen, dass der Marktanteil der chinesischen Autobauer wächst, dann ist es offensichtlich, dass Überkapazitäten entstehen."

Die Opel-Mutter Stellantis gründete zuletzt ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Hersteller Leapmotor und sicherte sich dabei das Recht, die Leapmotor-Fahrzeuge außerhalb Chinas zu vertreiben. Zudem sollen Leapmotor-Fahrzeuge in Stellantis-Werken vom Band laufen. Damit baue das französisch-italienische Unternehmen sein Angebot günstiger Fahrzeuge aus. "Wir versuchen, selbst chinesisch zu werden", sagte Tavares. "Wir wollen Teil der chinesischen Offensive werden."

(Bericht von Joe White, Chris Steitz, David Shepardson und Philip Blenkinsop, geschrieben von Christina Amann, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)