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WIESBADEN (dpa-AFX) - Bei der Landtagswahl in Hessen ist die CDU mit Abstand stärkste Kraft geworden - die SPD erzielt voraussichtlich ihr schlechtestes Ergebnis in dem Bundesland. Laut Hochrechnungen von ARD und ZDF (20.19/19.27 Uhr) liegt die CDU von Ministerpräsident Boris Rhein deutlich vor der AfD, die auf den zweiten Platz kommt und ihr bestes Ergebnis in einem westdeutschen Flächenland einfährt. Die Grünen und die SPD lieferten sich am Sonntagabend ein knappes Rennen um Platz drei. Der Wiedereinzug der FDP in den Landtag stand auf der Kippe. Die Linke schafft ihn nicht.

Den Hochrechnungen zufolge steigerte sich die CDU auf 34,3 bis 34,9 Prozent (Wahl 2018: 27,0). Die SPD mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser an der Spitze steuert mit 15,1 bis 15,6 Prozent (19,8) auf ein historisch schlechtes Ergebnis zu. Die mitregierenden Grünen von Vize-Regierungschef Tarek Al-Wazir verlieren ebenfalls und landen bei 14,6 bis 15,2 Prozent (19,8). Die AfD gewinnt deutlich hinzu und kommt auf 17,2 bis 17,9 Prozent (13,1).

Die FDP muss mit genau 4,9 bis 5,0 Prozent bangen, noch an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Ihr Einzug in den Landtag ist unsicher. Die Linke rutscht ab auf 3,1 bis 3,3 Prozent (6,3). Sie muss das Parlament in Wiesbaden verlassen. Die Freien Wähler kommen auf 3,5 bis 3,6 Prozent (3,0). Die Wahlbeteiligung wird mit 65,5 bis 65,6 Prozent angegeben - weniger als 2018 mit 67,3 Prozent.

Die seit fast 25 Jahren regierende CDU erhält laut den Hochrechnungen 46 bis 52 Sitze im hessischen Landtag. Die SPD kommt auf 20 bis 23, die Grünen erringen 20 bis 23 Mandate. Die AfD bekommt 24 bis 26 Sitze, die FDP 0 bis 8. Damit wäre eine Fortsetzung der seit knapp zehn Jahren amtierenden schwarz-grünen Koalition möglich. Aber auch eine große Koalition aus CDU und SPD hätte eine Mehrheit.

CDU sieht "klaren Regierungsauftrag" - Weiter mit Schwarz-Grün?

Ministerpräsident Rhein sieht einen "klaren Regierungsauftrag" der Bürgerinnen und Bürger für die Union. "Wir werden eine Regierung bilden aus der Mitte dieser Gesellschaft, aus der Mitte des Landes", sagte er weiter. Rhein bot sowohl SPD als auch Grünen und FDP Gespräche über eine Zusammenarbeit an.

Grünen-Spitzenkandidat Al-Wazir sagte, die Wahl zeige, dass es in Hessen keine Wechselstimmung gebe. "Und ich finde, das ist auch ein deutlicher Hinweis darauf, was die Bürgerinnen und Bürger auch von uns in den nächsten Wochen erwarten", sagte er mit Blick auf eine mögliche Fortsetzung der Koalition von CDU und Grünen.

SPD-Spitzenfrau mit viel Gegenwind

SPD-Spitzenkandidatin Faeser zeigte sich schwer enttäuscht. "Wir hatten viel Gegenwind, wir haben es in den Umfragen gesehen. Deswegen ist es auch nicht ganz so überraschend, aber trotzdem sehr enttäuschend." Die SPD sei mit ihren Themen leider nicht durchgedrungen. Auf die Frage, ob sie Vorsitzende der hessischen SPD bleibe, sagte sie im ZDF: "Das werden wir sehen in den nächsten Tagen und Wochen."

SPD-Chef Lars Klingbeil sprach - auch mit Blick auf Bayern - von "zwei Niederlagen für die SPD". Im Vordergrund stünden landespolitische Entscheidungen, die Ergebnisse seien aber auch "ein Signal an die drei Ampel-Parteien, dass es ein anderes Tempo braucht, wenn es darum geht, die Probleme der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu lösen". Er verteidigte ebenso wie Co-Chefin Saskia Esken Faeser. Sie habe als Bundesinnenministerin beim Thema Migration große Erfolge vorzuweisen. Esken sagte dem Sender Welt TV, Faeser solle ihren "großartigen Job" "auch weiterhin tun, denn es sind wichtige Aufgaben".

Der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), verlangte hingegen eine Kabinettsumbildung in Berlin. Faeser kehre geschlagen nach Berlin zurück, erklärte er in Berlin. "Sie wird nun noch weniger die notwendige Autorität besitzen, um die anhaltende Migrationskrise auf Berliner und Brüsseler Ebene zu lösen."

Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen traf "ein blasser Ministerpräsident" auf eine "völlig indisponierte Herausforderin" Faeser. Beim Ansehen auf der +5/-5-Skala landete Faeser demnach weit im Negativbereich mit minus 1,3 - dem schlechtesten SPD-Kandidaten-Image überhaupt bei einer Landtagswahl.

FDP zeigt auf die Ampel im Bund

Die hessische FDP-Vorsitzende Bettina Stark-Watzinger führte das schwache Abschneiden ihrer Partei auch auf die Ampel-Koalition im Bund zurück. "Alle drei Koalitionsparteien haben Einbußen hier in Hessen hinnehmen müssen", sagte die Bundesbildungsministerin.

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel zeigte sich hocherfreut über das Abschneiden ihrer Partei. "Unsere Politik gibt uns recht", sagte Weidel. Sie wertete die Stärke ihrer Partei auch als Zeichen für die Unzufriedenheit der Menschen mit der "Verbotspolitik" der Bundesregierung. Mit Blick auf den Bund sprach sie von einer realistischen Chance auf eine Regierungsbeteiligung 2025.

Die Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler äußerte sich schwer enttäuscht. "Es ist so bitter, dass wir unsere Arbeit nicht weiter fortsetzen können", sagte sie mit Blick auf ihr Heimatland Hessen, wo die Linke nicht mehr im Landtag vertreten sein wird. Immens geschadet hätten auch die Spekulationen über eine Parteineugründung durch die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.

Schwarz-Grün regiert bislang mit knapper Mehrheit

Seit knapp 25 Jahren wird Hessen von der CDU regiert, seit fast zehn Jahren gemeinsam mit den Grünen - meist recht harmonisch. Derzeit hat die Koalition eine Mehrheit von nur einem Mandat. Ziel des derzeitigen Vize-Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir (52) sowie von SPD-Spitzenkandidatin Faeser (53) war es gewesen, Rhein (51) an der Spitze der Landesregierung abzulösen. Vor der Wahl hatte Faeser klargestellt, nur bei einem solchen Wahlsieg aus Berlin zurück in die Landespolitik zu wechseln.

Rund 4,3 Millionen Wahlberechtigte waren in Hessen aufgerufen, ihre Kreuzchen zu machen. Insgesamt hat das Bundesland in der Mitte Deutschlands mehr als 6 Millionen Einwohner./bg/DP/zb