Der Vorstand des Branchenverbands VDA will Insidern zufolge am Nachmittag auf einer Sitzung diskutieren, wie der erneute Vertrauensverlust wieder rückgängig gemacht werden kann, auch wenn das Hauptthema des Treffens die Wahl des früheren Ford-Managers Bernhard Mattes zum neuen VDA-Präsidenten ist. Der Verband kündigte am Dienstag weitere Initiativen zur Luftreinhaltung in Städten an. Ziel sei es, gemeinsam mit besonders betroffenen Kommunen Wege zur Senkung der Stickoxidbelastung zu suchen. Hintergrund der Aktion sind offenbar auch die nach den jüngsten Negativ-Schlagzeilen lauter werdenden Forderungen aus der Politik an die Branche, bei der Bewältigung der Stickoxid-Probleme mehr zu tun.

Die Autobauer sind nach fragwürdigen Tests an Affen und Menschen öffentlich in der Defensive. Der Skandal droht das ohnehin wegen Dieselschummeleien und Kartellvorwürfen ramponierte Image der Industrie weiter zu beschädigen. Der Druck dürfte noch zunehmen, wenn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Ende Februar ein Urteil über Fahrverbote spricht. Diese drohen in mehreren Großstädten, in denen die Stickoxid-Grenzwerte oft überschritten werden. Die EU hat deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erstattete am Dienstag in Brüssel Bericht, wie es mit der Abgasreduzierung in deutschen Städten vorangeht.

In der Branche wollte man die Initiative des VDA auch als Signal an Hendricks verstanden wissen. Mit neuen Maßnahmen sollen die Aktivitäten, die die Städte bereits eingeleitet haben, ergänzt werden. So werde etwa in Berlin und Hamburg überlegt, wie die Elektrifizierung von Fahrzeugflotten beschleunigt werden könne, teilte der VDA mit. Zudem gehe es um Projekte zur Verbesserung des Verkehrsflusses.

VOLKSWAGEN-CHEF NENNT TESTS "UNETHISCH UND ABSTOSSEND"

Volkswagen-Chef Matthias Müller nannte die Abgastests an Affen "unethisch und abstoßend" und entschuldigte sich. "Mit Interessenvertretung oder wissenschaftlicher Aufklärung hatte das nichts, gar nichts zu tun", sagte er seinem Redemanuskript zufolge am Montagabend in Brüssel. Der Vorfall habe deutlich gemacht, dass vor der Branche noch ein langer Weg liege, um das Vertrauen zurückzugewinnen. Volkswagen selbst und die Industrie insgesamt müssten sich noch ernsthafter und sensibler mit ethischen Fragen auseinandersetzen. "Es gibt Dinge, die tut man schlicht nicht. Punkt!", sagte Müller, der den Konzern seit Bekanntwerden des Dieselskandals vor fast zweieinhalb Jahren führt.

Bosch-Chef Volkmar Denner befürchtet durch die Enthüllungen zu den Tests einen "erheblichen Rückschlag" im Kampf um die Zukunft der Dieseltechnologie. Nur mit Transparenz und einer sachlichen Diskussion könne die Branche das mit dem Abgasskandal verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen, erklärte Denner am Montagabend in einem Pressegespräch in Ludwigsburg.

VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch hatte zu Wochenbeginn bereits eine umfassende Aufklärung der Vorfälle angekündigt und dabei auch personelle Konsequenzen nicht ausgeschlossen. Die durch Affenversuche in den USA in die Kritik geratene "Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor" (EUGT) hat auch ein Experiment gefördert, bei dem sich Probanden an einem Institut der Uniklinik RWTH Aachen dem Reizgas Stickstoffoxid ausgesetzt haben. Die Versuche hatten in der Politik massive Kritik an der Automobilindustrie ausgelöst.

Das Institut wies zwar einen Zusammenhang der Versuche mit der Diskussion über Dieselgrenzwerte zurück. Die Studie habe sich mit dem Stickoxidgrenzwert am Arbeitsplatz befasst. Die Ergebnisse der 2016 veröffentlichten Forschung dürften den Autobauern nach Meinung von Experten allerdings bei ihrer Argumentation genutzt haben. So hatte der VDA in den vergangenen Jahren immer wieder darauf verwiesen, dass die Stickoxidgrenzwerte am Arbeitsplatz sehr viel höher seien als im Straßenverkehr.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verkehrsminister Christian Schmidt wegen deren Kritik an den Abgasversuchen mit Tieren und Menschen Scheinheiligkeit vor. Wenn beide sich über solche Tests nun in der Öffentlichkeit empörten, finde er das "absolut bigott", sagte Krischer im Deutschlandfunk. Schließlich seien die beiden mitverantwortlich dafür, dass bei der Begrenzung der Stickoxid-Emissionen von Dieselfahrzeugen in Städten kaum etwas geschehen sei. Das komme einem "Realexperiment an 80 Millionen Bürgern" mit Grenzwertüberschreitungen gleich, für die auch die Regierung eine Mitschuld trage.