Berlin (Reuters) - Ein mutmaßliches Treffen hochrangiger AfD-Funktionäre mit Rechtsextremen hat die Debatte über den Kurs der rechtspopulistischen Partei neu angefacht.

Einem Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv haben sich AfD-Vertreter im vergangenen November mit Rechtsextremen getroffen, um Pläne für eine massenhafte Ausweisung von Migranten zu erörtern. Die AfD erklärte daraufhin, dass es sich nicht um ein Parteitreffen gehandelt habe und sich nichts an den bekannten Positionen der Partei zur Einwanderungspolitik ändere. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, kritisierte die AfD scharf. Die AfD sei in vielen Teilen offen rechtsextrem und kooperiere immer mehr mit rechtsextremen und sehr gefährlichen Netzwerken, sagte Mast der Nachrichtenagentur Reuters.

Laut Correctiv soll bei dem Treffen, an dem auch Unternehmer teilgenommen haben sollen, eine Art Masterplan diskutiert worden sein, wie eine solche Ausweisung von Migranten umgesetzt werden könnte. Dabei soll es um einen Plan des als rechtsextrem eingestuften Martin Sellner für eine sogenannte "Remigration" gegangen sein. Die Debatte soll auch die Aussiedlung von Deutschen mit Migrationshintergrund umfasst haben. Das Recherchenetzwerk beruft sich auf Dokumente und Teilnehmeraussagen.

An dem Treffen soll laut Correctiv auch der AfD-Landeschef von Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, teilgenommen habe. Correctiv zitiert ihn mit den Worten, dass er als Privatperson bei dem Treffen gewesen sei. Auch ein enger Mitarbeiter von AfD-Co-Bundessprecherin Alice Weidel, Roland Hartwig, wird in dem Artikel als Teilnehmer genannt. Der "Tagesspiegel" hat ebenfalls über Treffen von AfD und Mitgliedern der als rechtsextrem eingestuften sogenannten Identitären Bewegung in einer Potsdamer Villa berichtet.

Die AfD betonte auf Anfrage, dass es sich nicht um ein Parteitreffen gehandelt habe. "Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik (...) nicht wegen einer Einzelmeinung eines Vortragenden auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern", teilte ein Sprecher mit. In ihrem Wahlprogramm 2021 hatte die AfD ebenfalls eine "Remigrationsagenda" erwähnt. Diese bezieht sich aber vor allem auf beschleunigte Abschiebungen und den Abbau sogenannter Duldungen abgelehnter Asylbewerber.

Der Weidel-Mitarbeiter Hartwig habe bei dem Treffen auf Einladung nur ein Social-Media-Projekt vorgestellt, teilte die AfD zudem mit. "Weder hat er dort politische Strategien erarbeitet noch hat er Ideen eines Herrn Sellner zur Migrationspolitik, von dessen Erscheinen er im Vorfeld keine Kenntnis hatte, 'in die Partei getragen'", hieß es weiter. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte sich zu dem Bericht auf Anfrage nicht äußern.

Die AfD, die in bundesweiten Umfragen mittlerweile bei mehr als 20 Prozent Zustimmung liegt, ist vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft worden. Einzelne Landesverbände sowie die Jugendorganisation der Partei werden von Verfassungsschutzbehörden als gesichert rechtsextrem bezeichnet.

"Die AfD ist in vielen Teilen offen rechtsextrem und sie kooperiert immer mehr mit rechtsextremen und sehr gefährlichen Netzwerken - mittlerweile auch dies in aller Offenheit und ohne Skrupel", sagte die SPD-Politikerin Mast. Sie sprach in Bezug auf die Berichte von "widerwärtigen Plänen", die jetzt zum Glück bekannt würden. Die AfD-Spitze belüge die Menschen und gebe sich gemäßigt. "So verstörend die Beratungen zur Vertreibung von Migranten sind: Es ist gut, dass immer deutlicher wird, wohin die Reise mit der AfD gehen soll", sagte Mast. Man werde weiter "wehrhaft" bleiben und brauche einen "Aufstand der Anständigen".

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)