-- Regierung hebt BIP-Prognose 2023 auf plus 0,2 Prozent von minus 0,4 Prozent an

-- Prognose für 2024 auf 1,8 Prozent von 2,3 Prozent gesenkt

-- Jahreswirtschaftsbericht nennt wirtschafts- und finanzpolitische Schwerpunkte

(NEU: Weitere Details, Lindner)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat ihre Erwartung für die deutsche Wirtschaftsentwicklung nach oben revidiert und rechnet nun mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,2 Prozent in diesem Jahr. Die Prognose für 2024 senkte die Regierung allerdings auf 1,8 Prozent von 2,3 Prozent. Das geht aus dem vom Kabinett beschlossenen Jahreswirtschaftsbericht hervor, den das Wirtschaftsministerium in Berlin veröffentlichte.

"Nach einer insgesamt positiven Entwicklung im zweiten Halbjahr 2022 geht die Bundesregierung für das laufende Jahr zwar von einer Abkühlung infolge des Energiepreisschocks und der Zinswende aus, rechnet in Summe aber mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von plus 0,2 Prozent", erklärte das Ministerium. In der Herbstprojektion hatte sie noch mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 0,4 Prozent gerechnet. "Diese positive Tendenz gilt es jetzt wirtschaftspolitisch zu stärken."

Gleichzeitig gehe die Inflation zurück. Sie bleibe im Jahr 2023 zwar weiterhin hoch, aber die Trendwende sei eingeleitet. Nach 7,9 Prozent im Jahr 2022 sinkt die Inflation der Projektion zufolge 2023 auf 6,0 Prozent, kommendes Jahr soll sie dann weiter auf 2,8 Prozent zurückgehen. Auch die Unternehmen fassten wieder Vertrauen. Die Stimmung habe sich spürbar verbessert. Unternehmen investierten in moderne Anlagen und Maschinen, die Ausrüstungsinvestitionen steigen laut der Projektion im Jahr 2023 um 3,3 Prozent nach 2,5 Prozent im Vorjahr und 2024 um 4,2 Prozent.

Für die privaten Konsumausgaben wird hingegen ein Rückgang um 0,2 Prozent in diesem Jahr erwartet. Kommendes Jahr sollen sie dann aber wieder um 1,6 Prozent steigen. Im Außenhandel rechnet die Regierung in diesem Jahr mit einem Zuwachs der Exporte um 2,2 Prozent und der Importe um 1,6 Prozent und im nächsten mit einem Plus von 3,3 Prozent bei den Ausfuhren und von 3,2 Prozent bei den Einfuhren. Die Arbeitslosenquote wird für 2023 mit 5,4 Prozent und für 2024 mit 5,2 Prozent angenommen.


Wirtschaft hat sich widerstandsfähig gezeigt 

Der Bericht mit dem Titel "Wohlstand erneuern" zeigt laut dem Ministerium auf, wie Deutschland sich in der Krise behauptet hat. So habe das Land auch angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise "Stärke bewiesen". Insbesondere konsequentes staatliches Handeln habe die Krise beherrschbar gemacht. "Zudem hat sich die deutsche Wirtschaft anpassungs- und widerstandsfähig gezeigt." Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher hätten durch große Energieeinsparungen ihren Beitrag geleistet, damit Deutschland gut durch den Winter kommt.

Der Jahreswirtschaftsbericht 2023 enthält neben der Projektion zentrale wirtschafts- und finanzpolitische Themenschwerpunkte der Bundesregierung. Unter dem Stichwort "Energieversorgung sichern, Transformation beschleunigen" heißt es unter anderem, es gelte "die Transformation hin zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft weiter zu beschleunigen". Dabei stehe der Ausbau der erneuerbaren Energien als Grundlage für Transformation und Klimaschutz im Mittelpunkt. Mit den Maßnahmepaketen des Jahres 2022 seien die Weichen für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien gestellt worden. Zugleich gelte es, staatlicherseits gezielt in den Aufbau einer grünen Wirtschaft zu investieren. Dazu gehöre der Einsatz des Klima- und Transformationsfonds.


Regierung plant "transformative Angebotspolitik" 

Um eine starke grüne Wirtschaft aufzubauen, sei es entscheidend, Deutschland als attraktiven Investitionsstandort zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Mittelstand zu befördern. Dazu setze die Regierung "auf eine transformative Angebotspolitik, die nicht einem blinden Wachstum folgt, sondern der Erneuerung unseres Wohlstands dient". Private Investitionen sollten gezielt angereizt werden, etwa durch verbesserte steuerliche Abschreibungsregelungen wie die degressive Afa und Superabschreibungen. Diese Impulse stärkten antizyklisch die wirtschaftliche Dynamik.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) betonte, der Bericht lenke den "Fokus auf angebotsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik" und widme erstmals ein eigenes Kapitel der Belastung aus Steuern und Abgaben. "Das ist nötig, denn Steuerpolitik wird zunehmend zum Wettbewerbsfaktor", erklärte Lindner über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Zusätzlich strebt die Regierung laut dem Jahreswirtschaftsbericht die Entwicklung eines Industriestrompreises an, damit die Industrie auch in der Transformation wettbewerbsfähig bleibe. Um den Wohlstand in Deutschland und Europa zu bewahren und zu erneuern, will die Regierung laut den Angaben zudem die strategische Souveränität und die wirtschaftliche Resilienz in Deutschland und der Europäischen Union stärken. Hierfür bedürfe es bilateraler EU-Handelsabkommen auf der Basis starker sozialer und ökologischer Standards.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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January 25, 2023 07:10 ET (12:10 GMT)