Jekaterinenburg (Reuters) - In Russland hat der Spionage-Prozess gegen den seit fast 16 Monaten inhaftierten US-Reporter Evan Gershkovich begonnen.

Zum Auftakt wurde der 32-jährige Korrespondent des "Wall Street Journal" im Gericht in Jekaterinenburg kurz Medienvertretern präsentiert. Er stand kahlgeschoren in einem Glaskasten im Gerichtssaal. Der Prozess selbst findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der erste Verhandlungstag endete nach mehreren Stunden. Die nächste Sitzung soll am 13. August stattfinden, was ein Hinweis sein könnte, dass sich der Fall über Monate hinziehen könnte. Ein Grund für die lange Verhandlungspause blieb unklar. Präsident Wladimir Putin hatte erklärt, dass Russland offen für einen Gefangenenaustausch mit den USA sei und es bereits Kontakte dazu gegeben habe.

Staatsanwalt Mikael Osdojew bekräftigte die Vorwürfe gegen Gershkovich. Es gebe Beweise dafür, dass Gershkovich geheime Informationen über ein russisches Rüstungsunternehmen für den US-Geheimdienst CIA gesammelt habe, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Gershkovich, seine Zeitung und die US-Regierung weisen alle Vorwürfe zurück. "In seinem Fall geht es nicht um Beweise, Verfahrensnormen oder Rechtsstaatlichkeit. Es geht darum, dass der Kreml amerikanische Bürger nutzt, um seine politischen Ziele zu erreichen", erklärte die US-Botschaft und forderte Gershkovichs sofortige Freilassung. Das "Wall Street Journal" erklärte, Gershkovich habe als akkreditierter Journalist lediglich seine Arbeit in Russland gemacht.

UNTER AUSSCHLUSS DER ÖFFENTLICHKEIT

Vor dem Prozessauftakt durften Journalisten Film- und Fotoaufnahmen des 32-Jährigen machen. Der Journalist stand kahlrasiert, mit Jeans und braunem Hemd bekleidet und mit verschränkten Armen in einer separaten Glasbox im Gerichtssaal. Er nickte lächelnd Medienvertretern zu, die er wohl teilweise kannte. Weder Medien noch Freunde, Familienangehörige oder Mitarbeiter der US-Botschaft dürfen Gershkovich unterstützen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist bei Spionage- oder Hochverratsprozessen in Russland üblich.

Gershkovich war am 29. März 2023 vom Inlandsgeheimdienst FSB in Jekaterinburg im Ural festgenommen worden. Ihm wird Spionage für die CIA vorgeworfen. Den Ermittlungsbehörden zufolge sammelte er im Auftrag des US-Geheimdiensts in der Region Swerdlowsk geheime Informationen über die Arbeit eines Rüstungsunternehmens zur Herstellung und Reparatur von Militärausrüstung. Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren. Die USA werfen Russland eine "Geiseldiplomatie" vor, um Druck auszuüben und russische Häftlinge im Westen freizubekommen.

Zahlreiche westliche Medien haben ihre Mitarbeiter aus Russland abgezogen, nachdem Putin im Zuge des Angriffskriegs gegen die Ukraine harte Gesetze für die "Diskreditierung" der Streitkräfte oder die Verbreitung von "Fake News" erließ. Gershkovich ist einer der wenigen verbliebenen Reporter aus dem Westen. Die russisch-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva wurde im vergangenen Jahr verhaftet wegen Verstoßes gegen das Gesetz über "ausländische Agenten" und die Verbreitung falscher Informationen über die Streitkräfte. Sie bestreitet ebenfalls die Vorwürfe und wartet noch auf ihren Prozess.

(Bericht von Mark Trevelyan, geschrieben von Anneli Palmen, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)