- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz

Düsseldorf (Reuters) - Dem Industriekonzern Thyssenkrupp droht mitten im Umbau ein Machtkampf.

Die einflussreiche Krupp-Stiftung, mit rund 21 Prozent größter Einzelaktionär, stärkte am Donnerstag dem Vorstand um den neuen Chef Miguel Lopez den Rücken. Sie begrüße die Erweiterung des Vorstands, teilte die Stiftung mit. Das Gremium könne optimal mit dem herausfordernden Umfeld umgehen und das laufende Performanceprogramm zielgerichtet fortsetzen. Die Arbeitnehmervertreter waren auf die Barrikaden gegangen, weil die Personalien gegen ihren Willen nur dank des doppelten Stimmrechts von Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm durchgesetzt wurden.

"Mit der heutigen Bestellung von zwei zusätzlichen Vorstandsmitgliedern gegen die Stimmen der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG findet ein Kulturbruch in der Mitbestimmung statt", erklärten die Arbeitnehmervertreter in einer Pressemitteilung. Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens seien Vorstände trotz der geschlossenen Ablehnung der Arbeitnehmerseite bestellt worden.

Thyssenkrupp wollte dies nicht kommentieren. Der Konzern hatte zuvor mitgeteilt, den Finanzchef des Mainzer Spezialglasherstellers Schott AG verpflichtet zu haben. Jens Schulte solle die Nachfolge des Thyssenkrupp-Finanzchefs Klaus Keysberg antreten. Während diese Personalie nach Angaben der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einstimmig erfolgte, kam es bei der Bestellung zweier zusätzlicher Vorstände - Volkmar Dinstuhl für Automotive Technology und Ilse Henne für Materials Services - zum Eklat. "Diese Zäsur wird Spuren hinterlassen und dem bislang ausgewogenen und konstruktiven Dialog im Aufsichtsrat dauerhaft Schaden zufügen."

Die Kritik richte sich in erster Linie nicht gegen die beiden zusätzlichen Vorstände, sondern vor allem um die Vergrößerung des Gremiums, sagte ein Vertreter der bei Thyssenkrupp stark vertretenen Gewerkschaft IG Metall. "In den Betrieben werden Investitionen gestrichen, ein Sparprogramm jagt das andere und gleichzeitig wird der Vorstand fast verdoppelt - das ist Wein trinken und Wasser predigen."

In weniger als einem halben Jahr nach seinem Amtsantritt droht dem neuen Vorstandschef Miguel Lopez ein Machtkampf mit der Arbeitnehmerbank, ohne deren Unterstützung Pläne für die Zukunft der Stahlsparte oder die Marine-Werften schwieriger zu vermitteln sein dürften. "Die Maske ist heute gefallen; die Anteilseigner und der neue CEO Lopez brechen mit der bewährten Mitbestimmungspraxis bei Thyssenkrupp."

Bei Investoren gab es hingegen Zuspruch für den Manager, der im Juni die Führung des Ruhrkonzerns übernommen hatte. "Wir begrüßen die Entscheidung des Aufsichtsrats ausdrücklich", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, der Nachrichtenagentur Reuters. Endlich habe Thyssenkrupp eine starke Führung, die Mut zu Veränderungen habe und offenbar auch schwierige Entscheidungen durchsetzen könne. Thyssenkrupp habe damit die Chance, Blockaden aufzubrechen und den Umbau des Konzerns und eine bessere Performance voranzutreiben. "Es ist keine Überraschung, dass die Mitbestimmung dabei Bauchschmerzen bekommt. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sind aber ausschließlich dem Wohle des Konzerns verpflichtet."

(Bericht von Tom Käckenhoff, Christoph Steitz; redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)