BAD VILBEL (dpa-AFX) - Der Bad Vilbeler Arzneimittelhersteller Stada bleibt weiter in unruhigem Fahrwasser. Nur wenige Tage nach der im zweiten Anlauf geglückten Übernahme durch die Finanzinvestoren Bain Capital und Cinven werfen nun Aufsichtsratschef Carl Ferdinand Oetker sowie vier weitere Vertreter des Gremiums das Handtuch.

Oetker sowie die erst auf der Hauptversammlung 2016 bestellten Aufsichtsratsmitglieder Rolf Hoffmann, Birgit Kudlek, Tina Müller und Gunnar Riemann legen mit Wirkung zum 25. September ihre Ämter nieder, wie Stada mitteilte. Damit räumt fast die gesamte Kapitalseite im Aufsichtsrat die Stühle. Die Nachfolger für die ausscheidenden Mitglieder sollen zeitnah gerichtlich bestellt werden, hieß es weiter.

OETKER SOLL GEGEN ÜBERNAHME GEWESEN SEIN

Im Übernahmeprozess, der sich seit Februar hingezogen hatte, hatte Oetker lange eine recht undurchsichtige Figur gegeben. Er soll gegen den Kauf durch Finanzinvestoren gewesen sein und sich hinter den Kulissen für die Eigenständigkeit des Konzerns stark gemacht haben. Offiziell beteuerte Oetker, der ein Spross der Bielefelder Industriellenfamilie ist, das Gegenteil. Die Querelen in der Stada-Führungsspitze erreichten Anfang Juli ihren vorläufigen Höhepunkt, als der bis dahin amtierende Stada-Chef Matthias Wiedenfels und sein Finanzchef Helmut Kraft - beide ausdrückliche Befürworter eines Verkaufs - das Unternehmen verlassen mussten.

Der Rücktritte der Aufsichtsräte kommen indes nicht überraschend. Laut "Wirtschaftswoche" sollen zuletzt Aktionäre sogar mit Klagen gedroht haben, sollte sich Oetker der Kaufofferte verweigern. Das "Manager Magazin" hatte bereits am Donnerstag berichtet, Bain Capital und Cinven hätten mit Oetker kürzlich im Grundsatz eine Einigung über dessen Rückzug erzielt. Um den Eindruck einer Strafaktion zu vermeiden, seien zudem weitere Aufsichtsratsmitglieder zum Rückzug bewogen worden.

RÜCKRITT OETKERS ENTSCHEIDUNG

Die Investoren versuchen nun, dem Eindruck entgegenzutreten, dass Oetker auf ihr Geheiß gehen musste. "Der Rücktritt ist nicht auf Veranlassung von Bain und Cinven geschehen, es war eine eigenständige und souveräne Entscheidung von Herrn Oetker", hieß es am Freitag in Investorenkreisen.

Oetker war erst im vergangenen Jahr nach einer turbulenten Hauptversammlung zum Aufsichtsratschef bei Stada bestellt worden. Kommenden Mittwoch (30. September) ist nun das nächste Aktionärstreffen - und es könnte erneut heiß hergehen. Vor allem Stada-Beschäftigte und Gewerkschaften sorgen sich um einen möglichen Job-Abbau, wenn die Investoren bei Stada erst durchgreifen.

BEHERRSCHUNGVERTRAG NÄCHSTER SCHRITT

Am Donnerstagabend hatten Bain und Cinven mitgeteilt, dass sie mit dem Unternehmen über einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag verhandeln. Setzen sie sich durch, erhalten sie Zugriff auf die Kasse von Stada. Die Aussicht auf eine Sondergewinn für die Aktionäre durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag trieb auch vor dem Wochenende die Stada-Aktie an. Das Papier stieg zeitweise bis auf ein neues Rekordhoch bei 82,75 Euro.

Über den Beherrschungsvertrag sollen die Aktionäre auf einer noch nicht terminierten außerordentlichen Hauptversammlung entscheiden. "Mit dem angekündigten Start der Verhandlungen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags sehen wir unsere Aufgabe bei diesem Eigentümerwechsel als abgeschlossen an und haben daher beschlossen, unsere Ämter niederzulegen", erklärte Oetker laut Mitteilung.

SINGER STOCKT BEI STADA WEITER AUF

Bain und Cinven war es jüngst im zweiten Anlauf geglückt, Stada mehrheitlich zu übernehmen. Sie hatten sich 63,85 Prozent am Unternehmen gesichert. Bis zum 1. September läuft noch eine verlängerte Annahmefrist, die etwa bestimmte Index-Fonds nutzen können.

Unklar ist weiterhin, was der umtriebige Investor Paul Singer mit seinem Stada-Anteil vor hat. Singer soll den Investoren zwar Anteile angedient haben, hatte zuletzt aber über den Markt Aktien hinzugekauft und damit seinen Einfluss ausgebaut. Nach einer Stimmrechtsmitteilung vom Freitag hat er inzwischen direkt und indirekt Zugriff auf 12,56 Prozent der Stimmrechte - knapp ein Prozentpunkt mehr als bis zum gestrigen Donnerstag bekannt./tav/als/nas