Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft der Euro-Zone - also Industrie und Service-Sektor zusammen - stieg im laufenden Monat zwar um 0,6 Punkte auf 47,1 Zähler, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Donnerstag zu seiner Umfrage unter mehr als 4000 Firmen mitteilte. Das Barometer bleibt damit aber noch weit unterhalb der Wachstumsschwelle von 50 Zählern. "Die Anzeichen für eine Rezession im Euroraum verdichten sich", warnt Commerzbank-Ökonom Christoph Weil.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den dazugehörigen 20 Staaten von Portugal bis Finnland war im Sommerquartal insgesamt um 0,1 Prozent geschrumpft. Laut Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB), der Sponsorin der Einkaufsmanager-Umfrage, besteht das Potenzial für ein zweites Quartal in Folge mit rückläufigem BIP: "Das würde der allgemein anerkannten Definition einer technischen Rezession entsprechen."

Auch Deutschland befindet sich laut den Umfragezahlen auf Rezessionskurs. Die Daten signalisierten, dass die hiesige Wirtschaft im laufenden vierten Quartal wohl um 0,7 Prozent schrumpfen dürfte, nach einem Minus von 0,1 Prozent im Sommer, erläutert De la Rubia.

Das Risiko für eine schrumpfende Wirtschaft beziffert das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) mit Blick auf die kommenden drei Monate auf 75,9 Prozent. Das Frühwarnsystem signalisiert damit akute Rezessionsgefahr.

"IM WÜRGEGRIFF"

Dass sich die Euro-Zone konjunkturell im Rückwärtsgang bewegt, liegt auch daran, dass es in ihren beiden größten Volkswirtschaften - Deutschland und Frankreich - derzeit nicht rund läuft: "Sie befinden sich aktuell im Würgegriff einer beträchtlichen Wirtschaftsschwäche, mit einem leichten Vorteil für Deutschland", sagt der HCOB-Chefvolkswirt. So gebe es Anzeichen für eine Verbesserung, da der aktuelle Einkaufsmanagerindex in Deutschland auf 47,1 Punkte gestiegen, in Frankreich jedoch auf 44,5 Zähler gefallen sei.

Deutschland stehe jedoch vor der Herausforderung, mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzugehen, meint De la Rubia. In diesem Urteil hatten die Karlsruher Richter auf die Einhaltung der Schuldenbremse bestanden, was öffentliche Investitionen im nächsten Jahr erschweren könnte: "Es besteht daher das Risiko, dass Deutschland 2024 abermals zurückfällt."

"DIE ZEIT DRÄNGT"

Die Stahlindustrie warnt bereits vor dem Scheitern milliardenschwerer Projekte für den Umbau hin zu einer grünen Produktion. Die Politik müsse jetzt rasch Antworten finden, wie die Transformation der Industrie verlässlich finanziert werden könne, fordert der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Bernhard Osburg, vor Journalisten: "Die Zeit drängt." Die Industrie müsse jetzt Entscheidungen über Investitionen treffen - entweder für eine grüne Transformation oder nicht.

Karlsruhe hatte vorige Woche unter Verweis auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse entschieden, dass die ursprünglich als Corona-Kredit bewilligten 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 nicht nachträglich umgewidmet werden dürfen für Investitionen in Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft.

Die Haushaltskrise in Deutschland droht dem Industriestaatenklub OECD zufolge auch die Konjunktur in Europa zu belasten. "Wenn in Deutschland in den nächsten Jahren weniger Investitionen und Ausgaben getätigt werden, weil weniger Geld zur Verfügung steht, dann wird das zwangsläufig Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft haben", prophezeit der Leiter des Deutschland-Desks der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Robert Grundke. Europas größte Volkswirtschaft werde dann weniger Vorleistungen und auch weniger Endprodukte und Dienstleistungen aus der EU importieren, warnt der Experte im Reuters-Interview.

(Weiterer Reporter: Tom Käckenhoff, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Reinhard Becker und Rene Wagner und Klaus Lauer