Paris (Reuters) - Das rechte Lager um den euroskeptischen Rassemblement National (RN) hat vor der Frankreich-Wahl Aufwind.

Auch eine absolute Mehrheit im Parlament liegt im Bereich des Möglichen: Laut einer Projektion des Instituts Elabe im Auftrag von BFM TV könnte der RN die dafür nötige Schwelle von 289 Sitzen überschreiten. Der Partei von Marine Le Pen und ihren Verbündeten winken demnach 260 bis 295 Sitze. Einer am Freitag in der Zeitung "Les Echos" veröffentlichten Meinungsumfrage zufolge hat sich der RN in der Wählergunst weiter verbessert und könnte am Sonntag bis zu 37 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichen.

Dies sind zwei Prozentpunkte mehr als bei der letzten Veröffentlichung der von OpinionWay vor einer Woche erhobenen Umfrage. Dem linken Bündnis Neue Volksfront werden wie in der Vorwoche 28 Prozent der Stimmen vorhergesagt. Der zentristische Block "Ensemble" des Lagers um Präsident Emmanuel Macron verliert hingegen gegenüber der Vorwoche zwei Punkte und kommt nur noch auf 20 Prozent.

HITZIGE FERNSEHDEBATTE

OpinionWay erstellte keine Sitzprognosen für die Zusammensetzung der kommenden französische Nationalversammlung. Das Endergebnis wird erst nach einer zweiten Wahlrunde am 7. Juli feststehen und ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer zu prognostizieren. Es wird weitgehend davon beeinflusst, in welchem Umfang sich die Konkurrenten des RN in einem taktischen Manöver verbünden und eigene Stichwahlkandidaten zurückziehen, um der extremen Rechten Paroli bieten zu können.

Ministerpräsident Gabriel Attal warf dem RN-Vorsitzenden Jordan Bardella am Donnerstag in einer hitzigen letzten Fernsehdebatte vor der Wahl vor, er dulde rassistische Äußerungen in den Reihen seines rechtsextremen Lagers. Bardella wies den Vorwurf zurück. Er will Regierungschef werden - allerdings nur, wenn er eine absoluten Mehrheit im Parlament erringt. Neben den beiden Kontrahenten aus dem rechten und zentristischen Lager nahm auch der Sozialist Olivier Faure als Vertreter der Neuen Volksfront an der Debatte teil.

"KONFLIKTE AUF EU-EBENE"

Diese Allianz besteht aus der Partei "Unbeugsames Frankreich", den Sozialisten, den Grünen und den Kommunisten. Sie will die Rentenreform, ein Prestigeprojekt Macrons, kippen. Auch der RN hat ähnliche Pläne. Die politische Atmosphäre in Frankreich ist aufgeheizt. Präsident Macron sieht durch die Programme der Parteien am rechten und linken Rand sogar die Gefahr eines "Bürgerkriegs" heraufziehen. Und der Pariser Börsenbetreiber Euronext hat bereits vor Turbulenzen an den Finanzmärkten im Falle eines Sieges extremer Parteien gewarnt.

Eine Krise droht nach Einschätzung von Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen aber wohl allenfalls bei einem - eher unwahrscheinlichen - Sieg des Linksbündnisses. Seiner Ansicht nach würde der Staatshaushalt bei einer Umsetzung von deren zahlreichen Wahlversprechen noch mehr in Schieflage geraten: "Bei einer Mehrheit für die Rechtspopulisten drohen Konflikte auf der EU-Ebene, aber wohl kaum eine Schuldenkrise." Denn die Partei werde voraussichtlich in erster Linie darauf abzielen, die in drei Jahren anstehenden Präsidentschaftswahlen zu gewinnen.

Allerdings sei auch bei einem Patt oder einem sehr unwahrscheinlichen Sieg von Macrons Bündnis nicht mit einer Konsolidierung der Staatsfinanzen zu rechnen. Für 2023 wies die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone ein Defizit von 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung auf. Im laufenden Jahr wird ein Minus von 5,3 Prozent erwartet. Die EU-Schuldenregeln sehen aber nur eine Obergrenze von drei Prozent vor. Zwei Ratingagenturen haben die Kreditwürdigkeit Frankreichs bereits herabgestuft.

(Bericht von Tassilo Hummel, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)