Zürich (awp) - In Bezug auf das Coronavirus kann von Entwarnung keine Rede sein. Diese Position vertritt der CEO des Rückversicherers Swiss Re, Christian Mumenthaler, im Interview mit dem deutschen "Handelsblatt" (Ausgabe vom 09.06.). Inzwischen sei man allerdings nicht mehr im "heissen", sondern im "kalten Krieg" gegen das Virus.

Das Virus könne möglicherweise regional zwar verschwinden. "Aber dass es global bald ausstirbt, ist sehr unwahrscheinlich." Es werde mindestens noch ein, zwei Jahre dauern, bis der Kampf gegen das Virus gewonnen ist. "Viel hängt davon ab, welche Fortschritte wir bei den Impfstoffen machen", so der Manager. Auch sollten die Länder sich "auf jeden Fall auf eine zweite Welle der Epidemie einstellen".

Sein Unternehmen selbst habe bereits in der Vergangenheit immer wieder auf das Risiko einer Pandemie hingewiesen, so Mumenthaler weiter. In Studien sei schon vor Jahren vor der Gefahr gewarnt worden. Dass man nicht besser auf die Risiken vorbereitet war, habe viel mit Psychologie zu tun. "Das menschliche Gehirn hat Mühe, Interesse an Dingen zu finden, die noch nicht geschehen sind", sagte der CEO.

Wichtig sei nun, dass man sich auch auf eine zweite Welle vorbereite. Doch sei ebenfalls der Weg zurück ins Leben zentral. "Auch auf die Gefahr hin, dass wir manches womöglich zurücknehmen müssen. Ein Verharren im Lockdown kann nicht die Lösung sein."

Schäden von 50 bis 100 Milliarden

Insgesamt gehe er von 50 bis 100 Milliarden US-Dollar versicherter Schäden aufgrund von Covid-19 aus. Aufteilen werde sich die Summe auf Lebens-Policen, auf Kredit-Policen und "mehr als die Hälfte dürfte auf die Betriebsschliessungspolicen entfallen", so der Swiss-Re-CEO.

Nun in den Kaufmodus überzugehen, dazu sei es aber zu früh, sagte Mumenthaler weiter. "Die Lage ist unsicher. Da denkt niemand daran, ein Unternehmen zum Verkauf anzubieten." Doch könne sich das auch wieder ändern. "Es ist möglich, dass sich das Übernahmekarussell im vierten Quartal oder Anfang des kommenden Jahres wegen Corona in Gang setzen wird", sagte er. Auch für die Swiss Re könnten sich dann Gelegenheiten bieten.

Rolle der Politik

Weiter äusserte sich der Manager zu der Tatsache, dass die Politik in vielen Ländern derzeit nicht gut auf die Versicherungsbranche zu sprechen ist, weil die Unternehmen sich teilweise sträuben, für Corona-Schäden aufzukommen. . Einige US-Bundesstaaten wollen Versicherer gar zwingen, Schäden aus Betriebsunterbrechungen auszuzahlen, was die Swiss Re jedoch nicht unmittelbar betreffe, sondern eher die Erstversicherer, erklärte Mumenthaler.

"Es gehört zum politischen System der USA, dass solche Versuche vorkommen", sagte er weiter. Allerdings glaube niemand, dass die USA Vertragsbedingungen ex post aufheben würden.

Staat muss intervenieren

Ebenfalls äusserte sich der Manager zur Politik in Europa, spezifisch zur EU-Kommission, die Hilfen in nie dagewesener Höhe bereitstellt. "Auf wirtschaftlicher Seite hat man keine andere Wahl, als massiv zu intervenieren", so der Manager. Die Krise werde seiner Schätzung nach etwa 6,4 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020 auslöschen.

"Bei der Spanischen Grippe 1918 lag die Schätzung bei 4,8 Prozent. Ohne Hilfe der Staaten wird es nicht funktionieren."

Nun hoffe er, dass die Menschheit aus dieser Krise zu einem rationalen, vernünftigeren Ansatz zurückfinde und die Wirtschaftssysteme der Welt wieder belastbarer gemacht würden. "Ich plädiere deswegen nicht für ein Ende der Globalisierung, sondern für mehr internationale Organisationen und Kooperationen. So werden wir die nächste Krise besser überstehen."

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