PEKING (dpa-AFX) - Die Epidemie mit dem neuartigen Coronavirus breitet sich rasant aus. Die Infektionen und Todesfälle in China erlebten bis Freitag den größten Anstieg innerhalb eines Tages. Die Zahl der Patienten kletterte um 1981 auf 9692, wie die Gesundheitskommission in Peking berichtete. Die Zahl der Toten stieg um 42 auf 213. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte am Donnerstagabend die Ausbreitung des Virus zu einer "gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite". Die 190 Mitgliedsländer werden damit von der WHO empfohlene Krisenmaßnahmen untereinander koordinieren.

Außerhalb der Volksrepublik sind schon mehr als 120 Infektionen in rund 20 Ländern festgestellt worden. In Deutschland bestätigte das bayerische Gesundheitsministerium am Donnerstagabend einen fünften Fall. Der Patient ist ein Mitarbeiter der Firma Webasto aus dem Landkreis Starnberg, bei der auch die vier zuvor bekannten Infizierten beschäftigt sind. Die Ansteckung ging von einer Kollegin aus China aus, wo jetzt jede Provinz und Region betroffen ist.

Mit fast 10 000 Fällen weltweit zählt der Ausbruch der "akuten Atemwegserkrankung", wie sie offiziell genannt wird, schon deutlich mehr Infektionen als vor 17 Jahren die ebenfalls von China ausgegangene Sars-Pandemie mit - laut WHO - 8096 Infektionen. Durch das "Schwere Akute Atemwegssyndrom" (Sars) 2002/2003 starben 774 Menschen. Der neue "2019-nCoV"-Erreger ist eine Variante des damaligen Sars-Virus. Vermutlich stammt er auch von Wildtieren.

Noch sei die Zahl der Infektionen außerhalb Chinas relativ gering, sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus nach der Sitzung eines Expertenausschusses in Genf, auf der die Notlage ausgerufen wurde. Aber man wisse nicht, welchen Schaden das Virus in einem Land mit einem schwachen Gesundheitssystem anrichten würde. "Wir sitzen alle im selben Boot", sagte Tedros. Das Virus könne nur gemeinsam aufgehalten werden. "Das ist die Zeit für Fakten, nicht Angst."

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte, das Ausrufen einer Notlage durch die WHO werde dazu führen, dass sich alle Länder noch besser abstimmten. Dies sei auch ein Signal an Länder in der Nachbarschaft Chinas oder in Afrika, die Aufmerksamkeit zu erhöhen, sagte der CDU-Politiker in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Mit Blick auf Deutschland sagte Spahn, die Behörden gingen sehr wachsam, aber angemessen mit der momentanen Situation um.

Wichtig sei, schnell Infektionsketten zu unterbrechen. "Ein Gesundheitswesen wie unseres kann das", sagte Spahn auch angesichts der bestätigten fünften Infektion in Bayern. Für einen geplanten Rückholflug von 90 bis 100 Deutschen aus der schwer betroffenen Metropole Wuhan bemühe sich das Auswärtige Amt, die Voraussetzungen mit den Behörden zu finalisieren. Zu klären seien etwa Start- und Landerechte, sagte Spahn. Auch die USA, Japan und andere Länder haben bereits Staatsbürger aus Wuhan geholt oder planen Rückholaktionen.

Konsularbeamte informierten Deutsche in Wuhan, dass das Flugzeug voraussichtlich am Samstag nach Frankfurt fliegen soll. Die Rückkehrer sollen 14 Tage lang auf dem Luftwaffenstützpunkt Germersheim in Rheinland-Pfalz in Quarantäne, wie zuerst die Zeitungen des Medienhauses VRM berichteten. Die Elf-Millionen-Stadt Wuhan und die Provinz Hubei sind besonders schwer von der Epidemie betroffen. Weit mehr als die Hälfte aller Fälle sind dort gezählt. Rund 45 Millionen Menschen sind in der Krisenregion praktisch von der Außenwelt abgeschottet, indem Verkehrsverbindungen gekappt wurden.

Wie die Lufthansa setzen auch immer mehr Fluggesellschaften ihre Flüge nach China aus. Nach zwei bestätigten Coronavirus-Fällen stoppte Italien seinen ganzen Flugverkehr mit der Volksrepublik. Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte in Rom, Italien sei das erste Land in der EU, das diese Maßnahme ergreife. Das Virus ist tückisch, weil Infizierte schon ansteckend sind, selbst wenn sie keine Symptome zeigen und nicht wissen, dass sie erkrankt sind.

Die Zahl der nachweislich Erkrankten steigt in China jetzt jeden Tag um mehr als Tausend. Vor gut zwei Wochen waren erst 40 Fälle gezählt worden. Reisende aus China haben das Virus ins Ausland getragen, wo es jetzt wie in Deutschland auch zu Ansteckungen kommt. Betroffen sind auch Thailand, Japan, Singapur, Australien, Hongkong, Malaysia, die USA, Finnland, aber auch Indien und die Philippinen.

Die WHO empfiehlt nun unter anderem, dass Länder mit weniger entwickelten Gesundheitssystemen unterstützt werden sollen. Zudem soll die Arbeit an Medikamenten und Impfstoffen beschleunigt, Wissen und Daten geteilt und gegen Gerüchte vorgegangen werden. Gleichzeitig empfiehlt die WHO aber keine Handels- und Reisebeschränkungen./lw/DP/zb