--Nettokreditaufnahme liegt 2021 bei 215,4 Milliarden Euro

--Lindner: Deutschland sendet finanzpolitisches Signal über Grenze hinaus

--Schuldenstandsquote betrug vergangenes Jahr rund 70,25 Prozent

(NEU: Mitteilung des Finanzministeriums)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Der Bund muss laut Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für 2021 insgesamt deutlich weniger neue Schulden aufnehmen als ursprünglich geplant. "Trotz des Nachtragshaushaltes müssen 24,8 Milliarden Euro weniger Schulden gemacht werden als von der Vorgängerregierung geplant", sagte Lindner im Bundestag. Die Nettokreditaufnahme betrug damit 2021 laut dem vorläufigen Jahresabschluss 215,4 Milliarden Euro, gab das Finanzministerium in einer Mitteilung bekannt. "Wir tun also das, was nötig ist, aber es wird nicht ausgereizt, was möglich wäre", hob Lindner hervor. Die Finanzpolitik sende damit "ein Signal über deutsche Grenzen hinaus". Insgesamt war bisher für 2021 eine Nettokreditaufnahme von 240,2 Milliarden Euro vorgesehen.

Lindner betonte, die Regierung arbeite daran, "im Jahr 2023 zum Regelfall der Schuldenbremse zurückzukehren", und in den Folgejahren sei es sein Ziel, die deutsche Schuldenquote zu reduzieren. "Es ist ein Gebot der Klugheit, nach einer Krise die fiskalische Handlungsfähigkeit des Staates für künftige Krisen zu stärken", betonte der FDP-Politiker. Lindners Ministerium erklärte zudem, 2021 sei die Schuldenstandsquote weniger als geplant angestiegen, voraussichtlich auf lediglich rund 70,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Quote liege "damit deutlich unter dem Wert in der Finanzkrise von rund 82 Prozent in 2010" und sei auch niedriger als in den anderen G7-Ländern.

Dank umfassender Maßnahmen zur Unterstützung der Beschäftigten und Unternehmen in der Krise habe sich die Wirtschaft deutlich besser entwickelt als erwartet. Dies habe um 29,5 Milliarden Euro höhere Steuereinnahmen als erwartet zur Folge gehabt, sie beliefen sich laut den Angaben 2021 auf 313,5 Milliarden Euro.

Insgesamt lagen die Einnahmen des Bundes ohne Nettokreditaufnahme demnach bei 341,7 Milliarden Euro und damit um 9,2 Milliarden über dem Ansatz im Nachtragshaushalt. Spiegelbildlich lägen die Ausgaben mit 557,1 Milliarden Euro um rund 15,6 Milliarden unter der ursprünglichen Budgetplanung. Die Investitionsausgaben erreichten laut Finanzministerium 2021 mit rund 45,8 Milliarden Euro den zweithöchsten Wert nach 2020.


Finanzminister gegen Aufweichung der Schuldenregeln 

Lindner verteidigte den von ihm eingebrachten Nachtragshaushalt, mit dem 60 Milliarden Euro an nicht verbrauchten Kreditermächtigungen in den Klima- und Transformationsfonds zur Finanzierung von Investitionen verschoben werden sollen, und betonte, dabei konzentriere sich die Regierung auf den Klimaschutz. "Für die regulären Vorhaben der Koalition soll aber 2023 indessen wieder die Schuldenbremse gelten", hob er hervor. Eine Aufweichung der Schuldenregeln lehnte er ab. Vielmehr müssten Vorhaben priorisiert werden. "Es muss gelten, dass der Wohlstand erst erwirtschaftet wird, bevor er danach verteilt werden kann."

Insgesamt werde es die Aufgabe der kommenden vier Jahre sein, "aus dem finanzpolitischen Krisenmodus in den finanzpolitischen Gestaltungsmodus zu wechseln". Als ersten Schritt werde er ein Corona-Steuergesetz vorlegen, das die Verlängerung der Homeoffice-Pauschale und der erweiterten Verlustverrechnung, längere Fristen für die Abgabe von Steuererklärungen, steuerfreie Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld und eine Steuerbefreiung für den Pflegebonus umsetze. "Weitere Schritte werden im Laufe der Legislaturperiode folgen", sagte er.

Lindner kündigte an, bei allen Herausforderungen verbindliche Fiskalregelen zu respektieren und die Schulden zu begrenzen. Diese Haltung vertrete er in der Europäischen Union und auch im Vorsitz der sieben führenden Industrieländer (G7). "Die Bedeutung solider Staatsfinanzen im Zusammenhang mit der Inflation hat der neue Präsident der Deutschen Bundesbank gerade erst angesprochen", betonte er. Zur Reform des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes sagte er: "Für Sinnvolles sind wir offen". Jedoch habe er sich "mit seinen Fiskalregeln und seiner Flexibilität im Kern bewährt". Transparente Regeln und finanzpolitische Eigenverantwortung der EU-Länder seien aus Sicht der Bundesregierung "unverzichtbare Voraussetzungen für Stabilität".

Zu Forderungen der Union nach einer Unternehmenssteuerreform sagte der Bundesfinanzminister, diese Debatte sei "in der Sache durchaus berechtigt" - jedoch hätte die Union "Jahre Zeit gehabt, hier Schritte auf den Weg zu bringen". Lindner kündigte zudem an, er wolle Deutschland zu einem führenden Finanzstandort machen. "Der Finanzplatz Deutschland kann nicht nur Wachstum finanzieren, er soll auch selbst zu einem Wachstumsmotor werden", sagte Lindner. Zum dreisäuligen Bankensystem sagte er, dieses habe "Perspektive".

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January 14, 2022 06:42 ET (11:42 GMT)